Der «Koh-i-Noor» ist einer der grössten geschliffenen Diamanten der Welt. Derzeit liegt er im Tower of London. Dort dürfte er auch bleiben. Trotzdem kommt der Edelstein nicht zur Ruhe. Denn derzeit ist er Gegenstand einer politisch-diplomatischen Auseinandersetzung.
Der Diamant ist nämlich Teil jener Krone, mit der die britische «Queen Consort» Camilla Anfang Mai hätte gekrönt werden sollen. Inzwischen hat sich das Königshaus aber für eine andere Krone entschieden, die alte Queen Mary-Krone. Damit beugt es postkolonialen Protesten aus Indien vor.
Objekt der Begierde
Ministerpräsident Narendra Modi war unlängst inmitten schwieriger Wirtschaftsverhandlungen mit Grossbritannien auf den Koh-i-Noor zu sprechen gekommen: Falls die Queen Consort den Stein in ihrer Krone tragen würde, wäre dies eine schmerzhafte Erinnerung an die Kolonialzeit, hatte er gewarnt. Das kommt nicht von ungefähr.
Denn mit seinen gut 108 Karat und 21 Gramm ist der Koh-i-Noor nicht nur einer der grössten Diamanten der Welt. Um ihn ranken sich auch unzählige Legenden. Schon die indischen Götter hätten mit ihm gespielt und um ihn gestritten, so wie die Menschen bis heute.
Eine heikle Vergangenheit
Die datierte Geschichte des Koh-i-Noor beginnt im Jahr 1304. Damals soll ihn der Khan von Delhi dem Sultan von Malwah geklaut haben. Und so ging es weiter: Etliche Male wechselte der Stein seinen herrschaftlichen Besitzer.
Er schmückte abwechselnd die Häupter von Grossmogulen, Sultanen, Khanen und Schahs. Wanderte zwischen Persern, Indern und Afghanen hin und her. Später zierte der Diamant sogar den goldenen Pfauenthron in Delhi.
Dort erbeuteten ihn die Perser und schleppten ihn samt Thron in ihre Heimat. Nach der Ermordung des persischen Schahs Mitte des 18. Jahrhunderts landete der Diamant in einer Schatzkammer im Pandschab.
1849 übernahmen die Briten dort die Macht und machten das Pandschab zu ihrer Kolonie. Das Machtsymbol Koh-i-Noor brachten sie ihrer Queen Victoria nach London.
Diese liess den Stein neu schleifen, weil er angeblich sein Feuer verloren hatte. Das kostete den Diamanten fast die Hälfte seiner Grösse: von 184 Karat blieben nur noch 108.
Später zierte er dann zwei Queen-Consort-Kronen: 1911 die Queen-Mary Krone und 1937 die Krone der Königinmutter Elisabeth.
Mehrere Länder erheben Anspruch
Deshalb läge es nahe, dass sich auch Queen Consort Camilla der Krone ihrer «Vorgängerin» bedienen würde, im Sinne des Recyclings. Das Königshaus hat sich für die Krönung King Charles’ III schliesslich der Nachhaltigkeit und Bescheidenheit verschrieben.
Indien möchte den Stein jedoch schon seit Jahrzehnten zurück haben. Iran, Afghanistan, Pakistan allerdings auch. Das Oberste Gericht Indiens lehnte es 2016 zwar ab, den Stein offiziell zurückzufordern. An seinem Anspruch darauf hält Indien aber fest.
Präzedenzfall befürchtet
Dass Queen Consort Camilla nun die alte Queen-Mary-Krone ohne den umstrittenen Stein tragen wird, ist daher eine diplomatisch kluge Entscheidung. Es bleibt jedoch unwahrscheinlich, dass das britische Königshaus auch nur einen einzigen Stein aus dem Tower of London zurückgibt – ganz gleich an wen.
Die Debatte um das British Museum London und seine Schätze aus aller Welt hat nämlich unlängst gezeigt, dass die Briten einen Dammbruch an Rückgabeforderungen fürchten. Leere Museen und ein leerer Tower of London? Das bleibt undenkbar.