1961 hätte der Maschinenmensch Sabor eigentlich mit Frank Sinatra auf einer Bühne gestanden. Die Appenzeller Sensation war zu Besuch in den USA. Doch der Auftritt in einem Jazzkeller konnte nicht stattfinden. Sabor war zu gross und kam die Treppe nicht runter.
2,37 Meter misst der Maschinenmensch von Erfinder August Huber aus Teufen. Vor rund 100 Jahren begann er ihm Leben einzuhauchen. Es war zwar nicht der erste Maschinenmensch weltweit, aber sicher der grösste. Bemerkenswert ist auch, dass er von einer Einzelperson entwickelt wurde, nicht von einer Firma wie die wenigen anderen Roboter zu dieser Zeit.
Bereits als 12-Jähriger hatte August Huber begonnen, an Sabor zu tüfteln. Wie der Sohn einer Textilfamilie auf die Idee kam, ist nicht bekannt. Ein Einfluss könnte die regionale Textilindustrie gewesen sein: «Es gab im Appenzellerland die Web- und Stickmaschinen».
Das mechanische Wissen war sicher eine Grundlage, um überhaupt in dieses Tüfteln und Basteln zu kommen», sagt Lilia Glanzmann, die Co-Leiterin des Zeughaus Teufen. Dort ist Sabor aktuell ausgestellt.
Science Fiction in den 1920er-Jahren
Klar ist: Der alte Traum vom künstlichen Menschen traf damals auf die neuen Möglichkeiten der Elektro- und Radiotechnik. Es war auch die Zeit, in der 1921 in einem Theaterstück des tschechischen Autors Karel Čapek zum ersten Mal der Begriff Roboter auftauchte.
1927 kam ausserdem Fritz Langs Spielfilm «Metropolis» ins Kino. Zentrale Figur darin: eine Maschinenfrau. Auch die Geschichte vom Zauberer von Oz, in der ein Blechmann ohne Herz vorkommt, könnte eine Inspiration gewesen sein für August Huber. Dieser wurde zwar Textilkaufmann im Betrieb seines Vaters, widmete seine Freizeit aber weiterhin ganz dem Erschaffen eines Maschinenmenschen.
Das erste Modell von Sabor war noch aus Holz und Stoff. Es konnte bereits per Funk gesteuert werden. Dann erhält Sabor einen Aluminiumpanzer und einen eleganten Kopf, der von einem deutschen Künstler aus Kupfer geschlagen wurde. Der Roboter konnte sich langsam auf Rollen fortbewegen, winken, den Kopf drehen, mit den Augenlidern klappern, den Mund bewegen und sprechen.
Im Innern Sabors verbergen sich jede Menge ferngesteuerter Schalter, für jede Funktion einer, 500 Meter Kabeldraht und grosse Akkubatterien.
Debüt an der Landi
1939 wurde Sabor hierzulande an der Schweizerischen Landesausstellung in Zürich zum ersten Mal einer grossen Öffentlichkeit vorgestellt. Er war Symbol für die Hoffnungen, die mit den neuen Technologien verbundenen waren. Um Sabor auftreten zu lassen, interagierte ein Conferencier mit dem Publikum und dem Roboter, während im Verborgenen ein Steuermann mit einer Telefonscheibe die verschiedenen Funktionen anwählte und dem Roboter über Funk seine Stimme lieh.
«Der Steuermann hatte auch ein Lexikon, um auf Fragen aus dem Publikum möglichst schnell die passende Antwort parat zu haben», erzählt Lilia Glanzmann. Vor allem mit einem Trick begeisterte Sabor: Er konnte Feuer geben und rauchen. Das zeichnete damals offensichtlich eine Maschine als menschlich aus.
Staunen und Unglaube
Während des Zweiten Weltkriegs wurde es ruhig um den Roboter aus dem Appenzell. Dann ging es auf Weltreise. Ab den 1950er-Jahren reiste Sabor quer durch Europa und bis nach Israel.
Er trat an Messen und in Kaufhäusern auf oder einfach auf der Strasse, die man eigens für ihn sperrte. In den Niederlanden überreichte er der Königin Blumen. In Dänemark traf er einen Prinzen. Überall wo Sabor in seiner etwas schwerfälligen Art auftrat, scharten sich die Menschen um ihn. Getrieben von Faszination und Neugierde, aber auch Unglaube, erzählt Lilia Glanzmann. «Immer wieder wurde gefragt, ob da ein Mensch drinsteckte.»
Reise nach Übersee
1961 reiste Sabor dann in die USA, wo er Frank Sinatra verpasste, dafür aber unter anderem in der bekannten Ed Sullivan Show auftrat.
Erfinder August Huber war da schon nicht mehr mit dabei. Er hat Sabor 1951 an den Elektrotechniker Peter Steuer verkauft, der von nun an mit Sabor Furore machte. Auch der legendäre Kurator Harald Szeemann interessierte sich für ihn. 1967 mietete er ihn für die Ausstellung «Science Fiction» in der Kunsthalle Bern.
Mitte der 1970er-Jahre geriet Sabor in Vergessenheit und verstaubte in der Garage von Peter Steuer. Vielleicht nicht zufällig genau dann, als eine andere, neue Technologie den Siegeszug antrat: der Personal Computer. Seit Steuers Tod steht Sabor im EBM-Museum in Münchenstein, das heute «Primeo Energie Kosmos» heisst.
Zurück zu den Wurzeln
Jetzt, rund 100 Jahre nach seiner Entstehung, ist Sabor für einige Zeit wieder an seinem Geburtsort in Teufen zu bestaunen. Heute, wo mit der Künstlichen Intelligenz wieder eine neue Technologie Ängste und Hoffnungen weckt.
Lilia Glanzmann vom Zeughaus Teufen sieht Parallelen zu damals: «Einerseits die Faszination, andererseits dieses magische Moment des nicht Verstehens, wie etwas funktioniert. Das ist auch heute mit KI durchaus wieder Thema.»