Das Aufgabengebiet einer Pfarrerin und eines Pfarrers ist breit: Predigen im Gottesdienst, Trost spenden in der Seelsorge, Kinder unterrichten im Konfirmationsunterricht, Paare verheiraten, Babys taufen. Das alles soll neu in nur drei Monaten erlernt werden.
«Wir sind uns bewusst: Unser Vorschlag ist nicht perfekt, er ist eine Notlösung», sagt Thomas Schaufelberger, verantwortlich für die Ausbildung von Pfarrpersonen in allen evangelisch-reformierten Landeskirchen der Deutschschweiz ausser Bern-Jura-Solothurn.
Gesucht: Akademikerinnen und Akademiker ab 55
300 Pfarrerinnen und Pfarrer fehlen in den nächsten Jahren in den reformierten Kirchen, trotz Mitgliederschwund und Kirchgemeindefusionen. Denn die Babyboomer im Pfarramt werden pensioniert. An den Universitäten wird zu wenig Nachwuchs augebildet, trotz eines Quereinsteiger-Studiengangs.
Wie also die Lücke schliessen? Der neue Plan sieht vor, Menschen über 55 zu rekrutieren. Sie müssen ein Studium abgeschlossen haben und gewisse Fähigkeiten mitbringen, sagt Thomas Schaufelberger und bestätigt einen Artikel des reformierten Onlineportals ref.ch: «Sie sollten kommunizieren können, empathisch und belastbar sein und in schwierigen Situationen gute Lösungen finden.» Nach einer dreimonatigen intensiven Ausbildung sollen sie sich auf Pfarrstellen bewerben können – als sogenannte Pfarrverwalter oder Pfarrverwalterin.
Kritiker monieren mangelndes Bibel-Wissen
Das Wissen über die Bibel sollen sich die Interessenten in einem dreijährigen Theologie-Abendkurs für Erwachsene aneignen. Genau hier setzt die Kritik an. Hansjakob Schibler, langjähriger Vize des Pfarrvereins, des Berufsverbandes der Pfarrpersonen, bezeichnet die neue Idee als «schwierig». Gerade in der reformierten Kirche sei es die Aufgabe des Pfarrers, die Leute zu ermächtigen, sich ihre eigenen Gedanken zur Bibel zu machen. Das gehe aber nur mit fundiertem Wissen. Und: Gerade in Zeiten des Mitgliederschwundes brauche die reformierte Kirche gute Pfarrpersonen.
Wir müssen aus der Not eine Tugend machen.
Allerdings weiss auch Hansjakob Schibli, dass es Massnahmen braucht. Er, der mit über 70 noch als Pfarrer arbeitet, weil die Pfarrstellen sonst nicht besetzt werden können. «In der Romandie können jetzt schon Personen mit einer Ausbildung im sozialen Bereich Aufgaben von Pfarrpersonen übernehmen», sagt er. «Nun müssen wir halt aus der Not eine Tugend machen.»
Keine Konkurrenz zum Quereinstieg
Kritik gibt es auch vom Verein Quest Netzwerk, das Studentinnen und Abgänger des Quereinsteiger-Studiengangs vernetzt. Die Befürchtung: Die neue Schnellausbildung könnte das Studium konkurrenzieren. Statt einen «Plan P» zu lancieren, solle man besser die Bedingungen für Quereinsteiger verbessern, heisst es auf Anfrage.
Ausbildungschef Thomas Schaufelberger versichert, er sei offen für Verbesserungen des Quest-Studiengangs. Und garantiert, sein «Plan P» werde keine Konkurrenz für das Quereinsteigerstudium – denn er richte sich an Personen über 55, die vom Quest ausgeschlossen seien. Und Schaufelberger betont: «Plan P ist eine vorübergehende Massnahme.»
Ob sie eingeführt wird, wird sich zeigen. Zurzeit läuft die Vernehmlassung. Dann entscheiden die reformierten Landeskirchen des Ausbildungskonkordats.