Was ist passiert? Anfang dieses Jahres sind die apostolischen Frauenklöster aus der Schweizerischen Vereinigung der Ordensgemeinschaften (KOVOS) ausgetreten, im Juli sind ihnen auch die kontemplativen Frauenklöster gefolgt. Als Grund gaben sie an, die Missbrauchsstudie der römisch-katholischen Kirche nicht mitfinanzieren zu wollen. Dies machte der «Tages-Anzeiger» diese Woche publik. Die Vereinigung der Ordensgemeinschaften beteiligt sich nämlich an den Kosten der Missbrauchsstudie. Die Frauenklöster beklagten zudem, ohnehin kein Geld für die Studie zu haben.
Stimmt die Argumentation der Nonnen, dass sie selbst Betroffene sind? In der Tendenz ja. Nonnen, die von ihrem Beichtvater vergewaltigt wurden. Ordensfrauen, die Übergriffe erfahren haben von ihrem Seelsorger. Solche Geschichten häufen sich, seit die sexualisierte Gewalt im Umfeld der römisch-katholischen Kirche öffentlich thematisiert wird. Die Bekannteste ist wohl die ehemalige Ordensfrau Doris Reisinger. Auch die Vorstudie über den sexuellen Missbrauch in der Schweiz zeigt klar, dass sexuelle Gewalt an Nonnen in der Schweiz vorgekommen ist. Allerdings gibt es auch Täterinnen unter den Ordensfrauen. Etwa in einem Kinderheim der Ingebohler Schwestern. Mitwisserinnen gab es auch. Es gibt also auch Gründe, die für eine Beteiligung der Frauenklöster an der Aufarbeitung sprechen.
Sind die Nonen in der Schweiz so arm, wie sie sagen? Es gibt viele Frauenklöster in der Schweiz, die praktisch keine Einnahmen haben, abgesehen von Spenden und der AHV der älteren Nonnen. In den letzten Jahren sind viele Einnahmequellen weggebrochen: Die Ordensfrauen mussten die zum Kloster gehörenden Schulen aufgeben oder die Mitglieder des Klosters sind so betagt, dass sie kaum noch Produkte wie Salben oder Stickereien zum Verkauf herstellen. Hinzu kommt, dass die Frauen in den Klöstern oft schlechter ausgebildet sind als ihre männlichen Kollegen, die in der Regel Theologie studiert haben und damit bessere Verdienstmöglichkeiten.
Was kostet die Studie die Klöster? Die Folgestudie zur sexualisierten Gewalt in der römisch-katholischen Kirche kostet 1.5 Millionen Franken, wovon die Orden – Männer und Frauen zusammen – zehn Prozent bezahlen. Angesichts der vielen Klöster und Orden, die es in der Schweiz immer noch gibt, müsste dies zu stemmen sein. Es geht den Frauenklöstern also auch um die Botschaft: «Uns wurde Leid zugefügt und wir können und wollen die Aufarbeitung nicht mitfinanzieren.» Diese Botschaft hat durchaus ihre Berechtigung.
Welche Folgen hat die Weigerung der Nonnen? Die Studie dürfte damit nicht in Gefahr sein. Alles in allem haben die Klöster und Ordensgemeinschaften in der Schweiz genug Geld, um ihren Beitrag zu leisten. Was dies für den Ruf der Frauenorden bedeutet, ist allerdings schwer abzuschätzen. Die Diskussion um die Studie zur Aufarbeitung in der reformierten Kirche hat gezeigt, dass die Öffentlichkeit beim Thema Missbrauch im kirchlichen Umfeld kaum bereit ist, zu differenzieren. Wer die Aufarbeitung nicht unterstützt, auch wenn gute Gründe bestehen, dem oder der wird schnell böse Absicht unterstellt.