Parlamente ticken unterschiedlich: Die Berner sprechen Mundart im Rat, aber in den Kommissionen und Fraktionen Hochdeutsch. In Basel und St. Gallen ist es genau umgekehrt.
Ein buntes Sammelsurium aus Dialekt und Standardsprache hört man im Luzerner Kantonsrat. Gemäss Staatskanzlei reden dort rund 70 Prozent Mundart.
Schweizerdeutsch als Protest
Debattieren im Dialekt? Das sei ein eher neues Phänomen, erklärt der Luzerner Staatsschreiber Lukas Gresch: «Bis 1975 sprachen alle Hochdeutsch.»
Damals kamen Vertreter der linken Partei POCH in den Kantonsrat. «Sie zogen sich extra anders an und sprachen Dialekt – aus Protest gegen die Institution.»
Mundartsprechen als Protest: Heute fiele das wohl niemandem mehr ein. Zu sehr hat die Mundart sich etabliert. Kaum jemand würde einen Bundesrat in Standarddeutsch ansprechen. Denn: Auch Autoritäten geniessen einen Schwatz in Mundart.
Mehr Emotion, mehr Sachlichkeit
Dialektgebrauch auf allen Ebenen ist eine Besonderheit der deutschen Schweiz. Doch Kantonsparlamente haben sich historisch unterschiedlich entwickelt. Sie pflegen jeweils eine Innensicht auf ihren Kanton, die sich auch in der bevorzugten Sprachvariante niederschlägt.
Eher ländliche und einsprachige Kantone bevorzugen Mundart. Sie soll Debatten emotionaler machen. Kantone mit standarddeutscher Prägung argumentieren mit dem sachlicheren Ton und der überregionalen Ausstrahlung.
Gemeinsam den Ton treffen
Gesetzliche Regelungen zum Sprachgebrauch gibt es kaum. Einzig in zweisprachigen Kantonen wie Freiburg und Wallis kann Amtssprache ein Kriterium sein, damit alle politischen Vertreter an einer Debatte teilhaben können.
Reto Schmid vom Grossratssekretariat in Freiburg sagt: «Mehr als einzelne Wörter oder Wendungen im Dialekt werden nicht toleriert.» Der Gebrauch von Amtssprache gilt auch in Bundesbern als Richtlinie.
Unveränderliche Sitten
Auch der Kanton Bern ist zweisprachig. Anders als andere grosse und mehrsprachige Kantone ist hier Mundart gesetzt. Für die französischsprachige Minderheit gibt es Simultanübersetzungen.
Als in der Märzsession GLP-Politiker Julien Stocker eine Wortmeldung in Standardsprache einbrachte, wurde er von Ratskollegen kritisiert. «Ich war erstaunt, wie empfindlich gewisse Leute auf Hochdeutsch reagieren», so Stocker.
Anders in Basel-Stadt: Hier wollte SVP-Grossrat Alexander Gröflin mit einem Vorstoss Schweizerdeutsch grundsätzlich als Verhandlungssprache fixieren.
Das Thema löste eine emotionale Debatte aus – und hat weit über Basel hinaus auf die Unterschiede der Sprachsitten in den Kantonsparlamenten aufmerksam gemacht. Die Positionen lassen sich kaum auf ein Links-Rechts-Schema reduzieren.
Am Ende zählt die Qualität der Rede
Patrick Trees, Generalsekretär des Grossen Rats in Bern, spricht von historischer Überlieferung und Gewohnheit. Aber gibt es keine praktischen Probleme beim Protokollieren von Wortmeldungen in Dialekt?
Trees winkt ab. Sogar automatisch protokollieren sei bei Mundart-Wortmeldungen machbar: «Wenn jemand gut Hochdeutsch spricht, ist es optimal. Eine gute Rede in Mundart lässt sich aber auch gut automatisch festhalten.»
Nur: Wenn jemand schlecht spreche, sei es egal, ob er Mundart oder Hochdeutsch wählt. «Dann müssen wir alles manuell protokollieren.» Wenn Politiker also wollen, dass man ihnen zuhört, spielt es keine Rolle, ob sie Dialekt oder Hochdeutsch sprechen – sie müssen guten Redner sein.