Zum Inhalt springen
Audio
Neues Asylgesetz: Vor- und Nachteile für Seelsorge
Aus Rendez-vous vom 22.08.2023. Bild: KEYSTONE/Michael Buholzer
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 38 Sekunden.

Neues Asylgesetz Landeskirchen kritisieren Bundesgeld für muslimische Seelsorge

Islamische Seelsorgende in Bundesasylzentren sollen langfristig Geld vom Bund bekommen. Warum das nicht alle freut.

Wer in die Schweiz flüchtet und in Bundesasylzentren lebt, hat oft belastende Erlebnisse hinter sich. Seelsorgende können Asylsuchenden helfen, diese zu verarbeiten; vor allem muslimische Seelsorgerinnen und Seelsorger sind gefragt.

Diese könnten für ihre Arbeit schon bald Geld vom Bund bekommen. Das neue Asylgesetz sieht nämlich vor, dass Religionsgemeinschaften, die keine Kirchensteuer beziehen, künftig finanziell unterstützt werden sollen.  

Leute aus der eigenen Community tragen zur Beruhigung bei.
Autor: Rifa'at Lenzin Präsidentin der Muslimischen Seelsorge Zürich

Das käme insbesondere der muslimischen Seelsorge zugute, die seit ein paar Jahren in Bundesasylzentren unterwegs ist und geschätzt werde, betont Rifa'at Lenzin, Präsidentin der Muslimischen Seelsorge Zürich. «Es trägt zur Beruhigung der Situation bei, wenn Leute aus der eigenen Community vor Ort sind.»  

Rückansicht dreier auf einem Gebetsteppich betender Männer
Legende: Die muslimische Seelsorge findet Anklang: Männer beten in einem Raum im Bundesasylzentrum, aufgenommen während eines Medienrundgangs im Bundesasylzentrum Zürich im Oktober 2022. KEYSTONE/Michael Buholzer

Planungssicherheit für Seelsorgende

Deswegen sei vor einigen Jahren auch der Kanton Zürich eingesprungen und habe die Finanzierung eines Pilotprojekts übernommen. «Als es dann vor etwa zwei Jahren eine Ausweitung gab und man auch noch die Asylzentren in der Ostschweiz betreuen sollte, hat das Staatssekretariat für Migration (SEM) den grössten Teil dieser Kosten getragen», erklärt Lenzin. Diese Finanzierung wurde allerdings von Jahr zu Jahr neu geregelt, für die Beteiligten keine befriedigende Lösung.

«Die Seelsorgenden brauchen eine berufliche Perspektive», so Lenzin. «Ansonsten muss man damit rechnen, dass Leute abspringen.» Danach wieder von vorne zu beginnen, sei aufwendig. «Es ist schade, wenn dadurch die jahrelange Aufbauarbeit zunichtegemacht wird.»

Schweizweit sind momentan sieben muslimische Seelsorgerinnen und Seelsorger in Bundesasylzentren unterwegs. Der Bedarf wäre aber grösser, betont Lenzin. Deshalb unterstützt sie die Neuerungen im Asylgesetz.

Ein Eingriff in die Steuerhoheit?

Ganz anders sieht das bei den Landeskirchen aus. Sie kritisieren, dass Religionsgemeinschaften ohne Kirchensteuer vom Bund Geld erhalten sollen. «Da greift der Bund ein in die Steuerhoheit der Kantone. Und das geht so nicht», sagt Rita Famos, Präsidentin der Evangelischen Kirche Schweiz EKS. Es brauche eine andere Lösung, die kantonale Unterschiede hinsichtlich der öffentlich-rechtlichen Anerkennung von Religionsgemeinschaften berücksichtige.

Natürlich sei es im Grundsatz richtig, dass Religionsangelegenheiten auf kantonaler Ebene geregelt seien, pflichtet ihr Rifa'at Lenzin bei. Allerdings seien die Bundesasylzentren Bundessache. «So ist es naheliegend, dass der Bund dafür aufkommt.»

Beste Lösung gesucht

Gibt es also Zoff unter den Religionsgemeinschaften? Nein, betont Rita Famos. Die Landeskirchen unterstützen eine nachhaltige Finanzierung der muslimischen Seelsorge. Darum schlagen sie zusammen mit der jüdischen Fürsorge einen zusätzlichen Artikel im Asylgesetz vor. Dieser soll die Religionsfreiheit in Bundesasylzentren garantieren und erlauben, dass verschiedene Religionsgemeinschaften Seelsorge betreiben und dafür entschädigt werden.

Lenzin findet das allerdings wenig sinnvoll. «Dann vergeht wieder sehr viel Zeit, bis entsprechende Vorschläge ausgearbeitet sind. Das bedeutet für die muslimische Seelsorge, dass die Finanzierung wieder nicht sichergestellt ist.»

Für die Musliminnen und Muslime wäre das neue Gesetz also ein Gewinn. Der Bund rechnet mit Kosten von rund 450'000 Franken im Jahr. Als Nächstes kommt die Vorlage ins Parlament.

SRF 4, Rendez-vous, 22.08.2023, 12:30 ; 

Meistgelesene Artikel