Auslöser für das Projekt waren Konflikte in mehreren Bundesasylzentren. Asylsuchende, insbesondere aus Nordafrika, störten durch ihr Verhalten den Betrieb und die Sicherheit der Bundesasylzentren (BAZ), schrieb das Staatssekretariat für Migration (SEM) letztes Jahr in einem Bericht.
Nebst weiteren Massnahmen sollten die muslimischen Seelsorgenden mithelfen, die Situation zu entspannen, Ruhe und Unterstützung zu bringen, die Integration zu verbessern, Probleme im Alltag zu lösen, kulturelle Differenzen zu erklären oder bei religiösen Fragen Hand zu bieten. Das funktioniere sehr gut, sagt Eric Kaser, Co-Leiter der Sektion Unterbringung und Projekte beim SEM. «Die muslimische Seelsorge ist aus Sicht des SEM eine ideale Ergänzung der Teams in den BAZ.»
Religion steht nicht im Zentrum
Fünf solche muslimische Seelsorgende waren seit letztem Jahr in acht Bundesasylzentren in der Deutschschweiz und der Romandie tätig. Vier Männer und eine Frau, Belkis Osman-Besler. Sie sagt, die gemeinsame Religion und Sprache würden oft den Zugang zu einer Person erleichtern. Oft gehe es in den Gesprächen aber nicht primär um Religion. Viele junge Menschen seien schlicht verzweifelt und würden Anerkennung suchen.
Niemand fragt: Wie geht es dir?
«Diese Anerkennung kann ich ihnen geben, indem ich sie aufsuche und nach ihrem Befinden frage», erklärt Osman-Besler. «Denn im Normalfall kommt niemand zu ihnen ins BAZ, um nach ihnen zu fragen, sondern dann geht es meistens um technische Sachen oder um Termine, die sie wahrnehmen müssen. Aber niemand fragt eigentlich: Wie geht es dir?»
Bereits 2016 wurde ein erstes Pilotprojekt mit muslimischen Seelsorgenden im Bundesasylzentrum in Zürich durchgeführt. Bereits damals zeigte eine Auswertung sehr positive Effekte. Das Projekt wurde aber damals wegen mangelnder Finanzierung nicht weiterverfolgt.
Zweite Auswertung ebenso positiv
Nun hat das SEM den zweiten, diesmal nationalen Pilotversuch ebenfalls auswerten lassen; erneut vom Schweizerischen Zentrum für Islam und Gesellschaft der Universität Freiburg unter der Leitung von Hansjörg Schmid. Er kommt zu sehr ähnlichen Schlüssen wie auch schon vor fünf Jahren. «Die Seelsorgenden sind nicht nur für die Geflüchteten da, sondern sie haben auch eine Art Beratungsfunktion für das Personal.»
Kurz: Ihre Arbeit wird von allen Beteiligten als sehr wertvoll wahrgenommen. Die Nachfrage nach den muslimischen Seelsorgenden in den BAZ sei gross. Schmid empfiehlt deshalb, das Angebot auszubauen und auch die Ausbildung der Seelsorgenden zu verbessern.
Das nationale Pilotprojekt wird dieses Jahr weitergeführt, bald auch mit einem Seelsorger im Tessin. Alle Beteiligten möchten die muslimische Seelsorge in den Bundesasylzentren dauerhaft etablieren. Sicher ist das aber nicht, denn die Finanzierung ist noch nicht definitiv zugesagt.