Seit zwölf Tagen liegt Papst Franziskus mit einer Lungenentzündung im Spital. Während Gläubige weltweit für seine Genesung beten, wird zugleich über mögliche Nachfolger spekuliert. SRF-Religionsexpertin Judith Wipfler erklärt, wie die Welt das bange Warten erlebt.
Für die Gläubigen heisst es derzeit: abwarten. Wie machen sie das?
Das geschieht durch gemeinsames Beten, sei es vor Ort oder auch in den Kirchen auf der ganzen Welt. Im Vatikan landen körbeweise Briefe. Vor der Gemelli-Klinik stehen Kerzen, liegen Blumen. Besonders ans Herz gehen wohl die Kinderzeichnungen, für die sich der bettlägerige Papst sogar schon bedankt hat.
Wie wichtig ist diese Zeit des Wartens, vielleicht auch des Abschieds für die Gläubigen?
Niemand weiss, wann die Stunde kommt. Dieses Gefühl kennen fast alle, die einen hochbetagten, schwerkranken Angehörigen begleitet haben. Diese Zeit muss durchlebt werden. Das sagen alle, die mit solchen Menschen zu tun haben: sei es aus der Medizin, der Psychotherapie oder aus der kirchlichen Seelsorge. Diese Phase kann auch zum Revue passieren oder Danke sagen genutzt werden. Diese bange Zeit ist etwas Urmenschliches.
Weshalb sterben die Päpste meist im Amt?
Zunächst ist das Amt des Papstes ein Amt auf Lebzeiten. Früher wurden die Menschen aber nicht so alt wie wir heutzutage. Zudem ist die medizinische Versorgung eines Papstes Spitzenklasse. Das befördert die Hochaltrigkeit von Päpsten. Franziskus ist mit 88 der zweitälteste Papst im Amt, von dem wir wissen. Und dieses Alter bringt nunmal auch gesundheitliche Probleme mit sich.
Warum tritt man nicht zurück?
Das ist eine Option. Für Papst Franziskus, so hat er es selber gesagt, sei ein Rücktritt die Ultima Ratio. Ausserdem, wenn ein Papst durch Tod aus dem Amt scheidet, dann ist der Fall eindeutig: Das Pontifikat endet und das nächste beginnt. Dass es mit Joseph Ratzinger noch einige Jahre lang einen emeritierten Papst gegeben hat, neben Papst Franziskus, hat viele irritiert und sogar zu doppelten Loyalitäten geführt.
Für den Fall, dass Franziskus doch noch aus Gesundheitsgründen zurücktreten müsse, hat er schon gesagt, dass er dann nicht Papa Emeritus heissen möchte. Er will nicht mit weissem Gewand im Vatikan herumlaufen, sondern ein ganz normaler emeritierter Bischof von Rom sein.
Wie kommen die Spekulationen um mögliche Nachfolger im Vatikan an?
Diese Spekulationen schiessen natürlich ins Kraut, nicht nur in den Medien, sondern auch in der Kirche und im Vatikan. Der Luxemburger Kardinal Jean Claude Hollerich kritisierte das in der italienischen Zeitung La Stampa sehr scharf und deutlich. Darin sagte er, es sei «schrecklich, dass Kirchenmänner jetzt über das Konklave nachdenken und bereits daran arbeiten, während der Papst noch lebt». Offenbar werden da schon Allianzen geschmiedet unter Kardinälen. Kardinal Hollerich ist ein progressiver Theologe und Vertrauter des Papstes und findet jeglichen Vorkonklave-Aktivismus wortwörtlich respektlos.