Man hört es immer wieder: Bei jungen Frauen ist die Pille unten durch. Auf Social Media thematisieren Influencerinnen in emotionalen Posts die teils starken Nebenwirkungen.
«Hormonschleuder in den Müll»
Eine von ihnen ist die bekannte Schweizer Bloggerin Lara Zaugg alias Vanillacrunnch. Sie schreibt offen über Migräne, Blähungen und Wassereinlagerungen. «Ich habe mich jahrelang völlig umsonst mit mehreren Pillen (...) rumgequält», lässt die Bernerin ihre Followerinnen wissen.
Auch die tausenden jungen Frauen, die auf Instagram mit Hashtags wie #pilleabsetzen regelmässig Updates liefern, wollen «die Hormonschleuder nur noch im Müll sehen».
So formuliert es jedenfalls eine Userin in den Kommentaren zum Post «Antibabypille? Nein Danke!». Die Community der Pillen-Gegnerinnen wächst.
Influencer-Marketing als neue Massnahme
Die Anbieter der Pille müssen sich also etwas einfallen lassen, um das Image ihres einstigen Verkaufsschlagers zu retten. Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente ist in fast allen Ländern verboten.
Ein Recherche-Artikel von «Zeit Online» zeigt: Die Pharma-Unternehmen holen die neuen Meinungsmacherinnen nun zu sich ins Boot. Sie betreiben Influencer-Marketing.
Die Bayer-Tochterfirma Jenapharm etwa hat laut «Zeit Online» vergangenen Sommer zehn Influencerinnen zu einem Event geladen. Thema des Abends: hormonelle und nicht hormonelle Verhütung.
Nach der Veranstaltung soll das erlangte Wissen an die Followerschaft weitergegeben worden sein. Entsprechende Verlinkungen führten unter anderem auf einen von Jenapharm betriebenen Lifestyle-Blog.
Fernab jeder medizinischer Beratung
«Den Unternehmen geht es darum, bei der Zielgruppe ein positives Image und Vertrauen aufzubauen», erklärt Soziologin Hedwig Diekwisch. Das Produkt stünde zunächst weniger im Fokus.
Trotzdem sei diese Art Marketing nicht ungefährlich. «Influencerinnen sind in ihrem Bereich Meinungsführerinnen», sagt Diekwisch. «Sie haben hohen Einfluss auf ihre Follower, in der Regel allerdings keinen medizinischen Hintergrund.»
Wenn Influencerinnen nun ein verschreibungspflichtiges Medikament empfehlen, sei das fern von verantwortungsvoller Entscheidungsfindung zwischen Ärztinnen und Patientinnen, betont Diekwisch.
Die Diplomsoziologin war während 18 Jahren wissenschaftliche Mitarbeiterin der deutschen pharmakritischen NGO BUKO-Pharma-Kampagne und hat zum Thema Pharmamarketing und Verhütung geforscht.
Noch keine Schweizer Kampagnen
Ob auch Pharma-Unternehmen in der Schweiz vorgehen wie im Fall aus Deutschland? Bayer, der weltgrösste Antibabypillen-Anbieter, verneint: «Wir betreiben in der Schweiz kein Influencer-Marketing für hormonelle Verhütungsmittel». Andere Anbieter reagieren nicht auf die Anfrage von SRF.
Die Nachfrage bei zehn Schweizer Influencerinnen, die sich Themen wie Frauengesundheit und Body Positivity widmen, stützt die Aussage von Bayer Schweiz. Sie alle sind bisher nicht von Antibabypillen-Herstellern angefragt worden.
Verantwortung vor Profit
Ohnehin sind sich die meisten ihrer Verantwortung bewusst. «Es gibt viele junge Frauen auf Instagram, die unsicher sind und sich leicht beeinflussen lassen», weiss Morena Diaz.
Die Influencerin mit 70'000 Followerinnen stelle deshalb immer klar: «Alles, was ich teile, sind persönliche Erfahrungen. Ich will niemandem etwas eintrichtern.»
Dass die Pillen-Anbieter in Zukunft sehr wohl auf Schweizer Influencerinnen zugehen könnten, hält Soziologin Hedwig Diekwisch für möglich.
Sie hoffe einfach für die Frauen, dass die zuständigen pharmazeutischen Kontrollbehörden ein Auge darauf haben. Denn: «Influencerinnen haben im sensiblen Bereich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel nichts verloren.»