Von Zensur ist keine Rede. Aber rechte Kulturpolitiker und Historiker versuchen in verschiedenen Kulturbereichen ihren Einfluss geltend zu machen.
Für landesweites Aufsehen sorgte im vergangenen Juli eine «La Bohème» beim Puccini-Opern-Festival im toskanischen Torre del Lago. Dirigent Alberto Veronesi trug bei der Premiere eine schwarze Augenbinde, um die Regie nicht sehen zu müssen.
Damit protestierte der sich als politisch rechts bezeichnende Dirigent gegen die seiner Meinung nach links unterwanderte Regie von Christophe Gayral.
Der Dirigent behauptete, nichts davon gewusst zu haben, dass Gayral die Handlung unter jungen Revoluzzern der 1968er-Bewegung ansiedelte.
Einmischungen aus dem Kulturministerium
Doch in Wirklichkeit war Veronesi schon im Mai von dieser Regie informiert worden. Es war Kulturstaatssekretär Vittorio Sgarbi, prominenter Kunsthistoriker und Strammrechter, der die Idee mit der Augenbinde hatte. Sgarbi pfiff, Veronesi gehorchte und verkündete: «Das ist eine Regie gegen die Regierung!»
Sgarbi sprach auch im Fall einer Inszenierung der Rossini-Oper «Il Turco in Italia» beim Festival della Valle d’Itria in Apulien von einem Skandal. Seiner Meinung nach ziehe die Regie ein «musikalisch-nationales Kulturgut» in den Schmutz. Hatte man sich doch erlaubt, die Oper frech-frisch in einem modernen Strandbad anzusiedeln.
Opernmanager Sebastian Schwarz, Direktor des Festivals, konterte: «Mit der Äusserung des Kulturstaatssekretärs drei Stunden vor der Eröffnung des Festivals haben wir schon gemerkt, dass da auf jeden Fall ein rechter Wind weht und Versuche betrieben werden, das Theater in eine Richtung zu schieben.»
Geschichte wird umgeschrieben
Nicht nur das Theater ist betroffen, verschiedene Regierungspolitiker versuchen, die italienische Nachkriegsgeschichte umzuschreiben. Wie zuletzt Marcello De Angelis, einst militanter Neofaschist und heute Sprecher des rechten Regionalpräsidenten von Latium.
De Angelis erklärte vor einigen Tagen, in offenem Widerspruch zu den Resultaten von Historikerkommissionen, dass für den Terroranschlag am Bahnhof in Bologna 1980 – mit 85 Toten – keine Neofaschisten verantwortlich waren.
Dante soll Gründer rechten Denkens sein
Ziel rechter Politiker und Historiker scheint es zu sein, die kriminellen und verfassungsfeindlichen Taten militanter Neofaschisten zu verharmlosen und die Partei der Neofaschisten als Säule des demokratischen Rechtsstaats zu propagieren. Und rechte Kulturpolitiker wollen die Kulturszene von linker Unterwanderung befreien und ihrer Meinung nach einiges «richtigstellen».
Da versteigt man sich auch zu hanebüchenen Thesen. Wie etwa Kulturminister Gennaro Sangiuliano, der einmal sagte: «Der Gründer rechten Denkens in Italien war der mittelalterliche Dichterfürst Dante Alighieri.»
Das Kulturministerium diktiert zusehends
Auch in Sachen bildender Kunst marschieren Italiens Rechte auf: So wurde kürzlich dem Nationalmuseum für moderne Kunst in Rom, dem GNAM, aus dem Kulturministerium vorgeschrieben, eine Ausstellung zu «Herr der Ringe» zur organisieren.
An sich keine schlechte Idee – doch der Roman von J. R. R. Tolkien, in dem die Guten die Macht des Bösen vernichten, gilt seit den 1950er-Jahren als literarische Bibel militanter italienischer Neofaschisten.