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Prägende Volksentscheide Ja oder Nein? Diese Schweizer Abstimmungen schrieben Geschichte

Die Stimmberechtigten entscheiden, ob die Schweiz eine Armee und Atomkraftwerke hat, ob Managerlöhne tiefer und Renten höher ausfallen, aber auch, ob alle Kühe Hörner tragen müssen. Das Buch «Heute Abstimmung!» gibt anhand von 30 Volksentscheiden Einblick in die Mechanik der direkten Demokratie.

«Die Schweiz wird geformt von Wasser, Wetter, Stein – und Volksabstimmungen.» Mit dieser Ausgangsthese beginnen der Historiker David Hesse und der Journalist Philipp Loser ihr Sachbuch «Heute Abstimmung!». Für die Beweisführung haben die Beiden sämtliche 676 Urnengänge in den Blick genommen, die seit der Gründung des Bundesstaats 1848 zu Sachfragen stattgefunden haben.

Aus dieser grossen Zahl griff das Autoren-Duo 30 Abstimmungen heraus, die das Land ihrer Einschätzung nach verändert haben.

Sie legen damit eine leichtfüssige Tour d'Horizon durch die Schweizer Politikgeschichte vor. Von fast 700 Abstimmungen 30 auszuwählen, sei ja schon etwas «frech», räumt David Hesse ein: «Man muss das spielerisch machen.»

Die Schweiz als Pionierin

Die Autoren waren sich bei der Auswahl nicht immer einig. Mit der Qual der Wahl gingen sie pragmatisch um. Als Kriterium hielten sie fest: Die Abstimmung muss das Land auf Dauer geprägt haben. Zu den Entscheiden mit nachhaltiger Wirkung gehörte zum Beispiel das eidgenössische Fabrikgesetz von 1877.

Es verbot die Kinderarbeit in der Fabrik und beschränkte die Arbeitszeit wochentags auf 11 Stunden und samstags auf 10 Stunden. Das war damals ein Fortschritt. Die Schweiz übernahm damit im Arbeitnehmerschutz europaweit eine führende Rolle.

Ein grosser Wurf

Wegweisend war auch die Abstimmung über das Eisenbahngesetz 1898. Die Stimmberechtigten entschieden, dass die Eisenbahn nicht mehr wie bis anhin von privaten Unternehmern, sondern vom Staat betrieben werden sollte.

Zudem sei die Erteilung der Konzession nicht mehr den Kantonen zu überlassen, sondern dem Bund. Dem Urnengang war eine heftige Debatte vorausgegangen: Die Föderalisten befürchteten, dass eine solche «Staatsbahn» zu einer Übermacht des Bundes führen würde, setzten sich aber nicht durch.

Damit nahmen die Schweizerischen Bundesbahnen, die SBB, Fahrt auf. Ein wichtiger Entscheid, der in die Gegenwart hineinwirkt, so der Historiker David Hesse: «Was entstanden ist, wissen wir alle, nämlich eine schweizerische Bundesbahn, die von der Bevölkerung geliebt wird, die eine Marke ist, mit der wir viele Heimatgefühle verbinden.»

Ohne Mahnfinger

Zu einer wichtigen wirtschafts- und staatspolitischen Weichenstellung kam es auch rund 100 Jahre später, 1992, mit der Vorlage über einen Beitritt der Schweiz zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Die Mehrheit der Stimmenden wollte davon nichts wissen. Seit dem Nein ringen Politik und Behörden um bilaterale Abkommen mit der Europäischen Union. Weitere Abstimmungen in diesen komplexen Dossiers stehen an.

Zwei Abstimmungsplakate zum EWR: Einmal Ja und einmal Nein.
Legende: Abstimmungskämpfe enden manchmal hauchdünn: Am 6. Dezember 1992 lehnte das Volk mit 50.3 Prozent den EWR-Beitritt ab. Keystone/Str

Die Anforderungen an die Stimmberechtigten nähmen generell zu, so David Hesse: «Es werden heute viel mehr Gesetze und Verordnungen erlassen als früher. Die ganze Staatlichkeit ist viel kleinmaschiger als vor 150 Jahren.»

Die beiden Autoren präsentieren die ausgewählten Volksentscheide systematisch: Sie schildern jeweils die Vorgeschichte, wie die Debatte verlief und was der Entscheid bewirkte.

Damit kann das Buch «Heute Abstimmung!» auch als Nachschlagewerk dienen – mit dem Unterschied, dass es locker und ohne erhobenen Zeigefinger geschrieben ist.

Buchhinweis

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David Hesse und Philipp Loser: «Heute Abstimmung! 30 Volksentscheide, die die Schweiz verändert haben». Limmat Verlag, 2024.

Radio SRF Kultur 2, Kontext: Kultur-Talk, 3.1.2025, 9:03 Uhr

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