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Auch auf Bundesebene Menschen mit Behinderung sollen wählen und abstimmen dürfen

Erste Kantone erlauben Menschen mit Behinderung die politische Teilhabe schon. Nun erhält das Anliegen auch national Rückenwind.

Wer den heutigen Artikel 136 der Bundesverfassung über die politischen Rechte liest, fühlt sich in eine längst vergangene Zeit zurückversetzt: «Die politischen Rechte in Bundessachen stehen allen Schweizerinnen und Schweizern zu, die das 18. Altersjahr zurückgelegt haben und die nicht wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche entmündigt sind.»

Diese Begriffe werden heute in der Regel nicht mehr gebraucht, sondern als diskriminierend angesehen. Die Bestimmung, in der die Wörter «Geisteskrankheit oder Geistesschwäche» vorkommen, soll deshalb gestrichen werden. Darauf hat sich die Staatspolitische Kommission des Nationalrats geeinigt.

Haarscharfes Ja in der Kommission

Der Entscheid fiel allerdings knapp, wie Kommissionspräsidentin Greta Gysin sagt: In der Kommission sprachen sich zwölf Mitglieder für und zwölf gegen die Motion aus. Die Grüne Nationalrätin aus dem Tessin hat mit ihrem Stichentscheid als Kommissionspräsidentin das Ja möglich gemacht.

UNO-Behindertenkonvention stützt Wahlrecht

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Mensch mit geistiger Beeinträchtigung im Garten eines Wohnheims.
Legende: Keystone/Gaetan Bally

Von der Teilnahme an Wahlen und Abstimmungen ist ein Teil der Bevölkerung ausgeschlossen. Nämlich jene 16'000 Personen in der Schweiz, welche entmündigt sind, weil sie mit einer Behinderung leben.

Der Ausschluss dieser Personengruppe widerspricht der UNO-Behindertenrechtskonvention, welche die Schweiz vor zehn Jahren ratifiziert hat. Erste Kantone haben Menschen mit Behinderung die Teilnahme an Wahlen und Abstimmungen schon erlaubt.

Für eine Minderheit der Kommission war die Formulierung dieses Artikels zwar ebenfalls unglücklich. Sie sah aber keinen Handlungsbedarf auf Verfassungsebene. Mit der Annahme hat die Kommission ein Anliegen aufgenommen, das von der Behindertensession 2023 als Petition eingereicht wurde.

Bei der Umsetzung standen zwei Varianten zur Debatte: Entweder allen 16'000 betroffenen Personen das Stimm- und Wahlrecht zu erteilen oder in Einzelfällen Prüfungen vorzunehmen.

Die Kommission entschied sich für die erste Variante. Denn diese bringt laut Gysin weniger Bürokratie mit sich. Zudem drohe bei einer Einzelfallprüfung eine erneute Diskriminierung. «Denn auch bei Menschen ohne Behinderung wird keine Abklärung vorgenommen, ob sie in der Lage sind, zu verstehen, worüber sie abstimmen.»

Es geht nicht, dass man eine Gruppe unserer Bevölkerung pauschal vom Stimm- und Wahlrecht ausschliesst.
Autor: Marc Jost Nationalrat (EVP/BE)

Die Motion eingebracht hat der Berner EVP-Nationalrat Marc Jost. Für ihn kann es nicht sein, «dass man eine Gruppe unserer Bevölkerung pauschal vom Stimm- und Wahlrecht ausschliesst.»

Den Kommissionsentscheid wertet Jost als Meilenstein. Mit einer Annahme der Motion im Parlament würde das Stimm- und Wahlrecht allen Bürgerinnen und Bürgern in der ganzen Schweiz zustehen. «Und damit wäre auch die Kritik der UNO-Behindertenrechtskonvention behoben», so der EVP-Politiker.

Die Kantone machen Druck

Inzwischen haben Genf und Appenzell-Innerrhoden Menschen mit Behinderung das Stimmrecht für kantonale Urnengänge schon zugesprochen. In Genf werden die betroffenen Menschen zudem in einfacher Sprache über die Abstimmungsvorlagen informiert. In weiteren Kantonen wie Zürich, Zug und Neuenburg sind entsprechende Änderungen aufgegleist.

Dieser Druck aus den Kantonen soll dem Anliegen auch auf Bundesebene zum Durchbruch verhelfen, sagt Jost: «Die Diskussion in den Kantonen wird die Debatte in Stände- und Nationalrat beeinflussen.» Der EVP-Nationalrat hofft nun auf eine gesamtschweizerische Lösung im Sinne der Menschen mit Behinderung.

Auch der Bundesrat hatte schon Handlungsbedarf anerkannt. Nun ist das Parlament am Zug. Und weil die Verfassung geändert würde, wird am Schluss das Stimmvolk das letzte Wort haben.

Echo der Zeit, 25.10.2024, 18 Uhr

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