Darum geht’s: Kätzchenvideos, Tanzchoreos oder Do-it-yourself-Tipps: Wer auf Social Media etwas häufig klickt, bekommt in der Folge ähnliche Inhalte à gogo – das ist bekannt. Doch nun berichtet die englische Zeitung «Guardian» über eine neue Studie: Diese belegt, dass nicht bloss mehr vom Gleichen kommt. Auf Tiktok verstärken die Algorithmen frauenfeindliche und gewaltverherrlichende Videos. Die Inhalte werden nach den ersten Klicks härter und radikaler.
Der Mechanismus der Algorithmen: Algorithmen bestimmen, was uns gezeigt wird. Wie diese im Detail funktionieren, bleibt das Geschäftsgeheimnis der Plattformen. Was man allerdings weiss: Die Social-Media-Betreiber wollen ihre Nutzenden so lange wie möglich auf der Seite halten, um ihnen Werbung anzuzeigen. Denn nur so verdienen die Plattformen Geld.
Die neue Studie: Die Studie belegt erstmals, dass Video-Vorschläge bei Tiktok gleich funktionieren wie etwa bei Youtube. Zu Youtube wurden schon ähnliche Studien durchgeführt – mit vergleichbaren Ergebnissen. Man weiss, dass Leute, die sich für bestimmte Themen interessieren, auf sozialen Medien immer mehr von diesen Themen zu sehen bekommen. «Das Medium probiert, die Inhalte immer interessanter oder packender zu gestalten. Und das kann bedeuten, dass die Inhalte von Video zu Video extremer werden», sagt SRF-Digitalredaktor Jürg Tschirren. Denn im Hintergrund pusht der Algorithmus die extremen Videos.
Die Betroffenen: Betroffen sind von diesem Mechanismus alle, die soziale Medien nutzen. Der Algorithmus versucht, allen das zu zeigen, was sie interessiert und spielt Videos aus, von denen er annimmt, dass sie uns lange auf der Seite halten. Dabei müsse es nicht wirklich darum gehen, jemanden zu radikalisieren oder immer extremere Inhalte zu zeigen, sagt Jürg Tschirren. Nutzenden sollen so lange wie möglich auf der Seite gehalten werden – eben wegen der Werbung.
Einfluss auf Offlineverhalten: «Ich glaube durchaus, dass soziale Medien beeinflussen können, welche Verhaltensweisen und welche Ansichten wir akzeptieren und welche wir ablehnen», sagt Jürg Tschirren. Denn soziale Medien könnten Themen emotionalisieren und so auf eine subtile, aber sehr schwer zu fassende Art Einfluss nehmen. Aber: «Der Einfluss auf das Offlineverhalten ist wissenschaftlich sehr schwer zu belegen. Man müsste dazu als Kontrollgruppe eine Welt haben, in der keine sozialen Medien existieren. Dann könnte man prüfen, ob das Verhalten der Personen in der Offline-Welt eine andere wäre.»
Lösungen gegen den Mechanismus: Social Media müsste etwas langweiliger werden, meint Jürg Tschirren. «Das steht aber in direktem Widerspruch zum Geschäftsmodell dieser Plattformen.» Leichter wäre es, die Video-Vorschläge nicht mehr von einem Algorithmus abhängig zu machen, der immer extremere Inhalte präsentiert. Die Vorschläge könnten stattdessen nach anderen Massstäben entstehen – etwa, was Freundinnen und Freunde schauen. Ausserdem müssten die Plattformen in die Pflicht genommen werden. «Aber die Plattformen sind wohl zu gross, um den Inhalten noch Herr zu werden», sagt Jürg Tschirren. Bisher haben sie das eigene Wachstum vor das Wohl der Userinnen und User gestellt.