Seit dem Nahostkonflikt kursieren auf Onlineplattformen zahlreiche Videos mit expliziten Gewaltdarstellungen. Die Flut dieser Bilder kann für die menschliche Psyche belastend sein. Auch Kinder sind teilweise auf diesen Plattformen unterwegs. «Darstellungen von expliziter Gewalt können Kinder stark ängstigen», so Yvonne Haldimann, Projektleiterin bei der Plattform Jugend und Medien vom Bundesamt für Sozialversicherung.
Inhalte mit Gewaltdarstellungen existierten auch unabhängig von Social Media, beispielsweise in Comicserien wie Tom und Jerry. «Die Faszination für solche Inhalte, die damit verbundene Spannung, der Nervenkitzel sind da – und auch bereits im Kleinkindalter wahrnehmbar. Der Reiz des Verbotenen trägt zu dieser Faszination bei», sagt die Expertin.
Später in der Pubertät tendierten Jugendliche allgemein zu risikoreichem Verhalten. Social Media biete ihnen einen Zugang zu Inhalten mit Gewaltdarstellungen, die Jugendliche wissentlich konsumierten. «Es ist eine riesige Welt, die sich über Social Media aufmacht. Junge Menschen wollen daran teilhaben und dabeisein», sagt die Expertin. Insbesondere dann, wenn andere Personen aus ihrem Umfeld ebenfalls auf diesen Plattformen aktiv seien.
Die Wirkung von Inhalten mit Gewaltdarstellungen auf Kinder
Natürlich lasse sich die Wirkung von Inhalten mit Gewaltdarstellungen auf Kinder nicht verallgemeinern, sagt Haldimann. Ungefähr ab zehn Jahren seien Kinder jedoch in der Lage, Bilder in den sozialen Medien mit ihrer eigenen Realität zu verbinden. Sie realisierten dann, dass diese Gewalt wirklich irgendwo auf der Welt entsprechend den Bildern ausgetragen worden sei. Dies führe zu einer enormen Verängstigung. Deswegen sei es wichtig, diese Bilder altersentsprechend zu thematisieren.
Es brauche eine gewisse Reife, um mit solchen Inhalten umgehen zu können, sagt Haldimann. In den sozialen Medien seien Kinder diesen Bildern schutzlos ausgesetzt. Auch in anderen Medien, wie Zeitungen oder Fernsehen, seien solche Inhalte sichtbar. Deswegen sei es wichtig, mit Kindern in einen Dialog zu treten, sodass sie zum Inhalt Fragen stellen und diesen besser einordnen könnten. Ausserdem sei es auch wichtig, bei Kindern ein kritisches Denken bezüglich der Echtheit der gesehenen Inhalte zu fördern.
Eine Sensibilisierung in der Mediennutzung soll früh beginnen
Auch bei der Mediennutzung sei der Einfluss von Vorbildern immens, meint Haldimann. «Wie oft und wozu nutzt man ein Gerät? Wenn man einen gesunden Umgang mit Social Media bei Kindern fördern will, dann muss man diesen auch vorleben.» Zeitliche Verbote bei Kindern seien sinnlos, wenn der Konsum bei Eltern oder Geschwistern übermässig sei.
«Medienkompetenzförderung beginnt schon im ersten Lebensjahr.» Wichtig sei, dass Eltern oder Bezugspersonen von Kindern den Konsum begleiten. Diese sollten Kinder gezielt auf bestimmte Inhalte aufmerksam machen und sie darauf hinweisen, wenn sie einen Inhalt kritisch finden oder nicht teilen würden. Zudem sollten den Kindern Gründe für diese Argumente aufgezeigt werden. «Eltern sollten den Kindern ihr eigenes Verhalten spiegeln und auch die Grenzen des Anstandes in der Online-Kommunikation – ähnlich wie in einem realen Gespräch – aufzeigen.» Ideal sei, wenn Bezugspersonen dies bereits im frühen Kindesalter täten, bevor das Kind auf Social Media aktiv sei.