Die entscheidende Frage stellt die App «Heavy Mental» gleich am Anfang: «Wie fühlst du dich heute?»
Die Frage ist berechtigt. Denn viele Jugendliche seien von massiven psychischen Krisen und teils auch Erkrankungen betroffen, erklärt Judith Mair, Trendforscherin und Dozentin an der Zürcher Hochschule der Künste.
Mair hat die App mitentwickelt, die an der ZHdK im Rahmen der Studienvertiefung «Trends und Identität» entstand. «Heavy Mental» soll helfen, Gefühle zu erkennen, bevor sie zu psychischen Krisen führen.
«Es ist wichtig, dass man möglichst früh und präventiv interveniert», so Mair. «Bevor es zum Beispiel zu schulischem Leistungsabfall oder Selbstverletzungen kommt.»
Die Kraft der Worte
Wichtig sei, die Teenager zu motivieren, sich mit ihren Gefühlen auseinanderzusetzen. «Je besser wir in der Lage sind, unsere Gefühle wahrzunehmen und zu differenzieren, desto positiver wirkt sich das auf unsere psychische Gesundheit aus», erklärt Mair.
Gerade diese Differenzierung – also zu erkennen, um welches Gefühl es sich handelt – falle Jugendlichen aber besonders schwer. Ihre Gefühle seien oft widersprüchlich und schwer zu greifen.
Die Eröffnungsfrage «wie fühlst du dich heute?» steht in der App in einem ballähnlichen Körper. Darunter gleiten Begriffe vorüber, die Gefühlszustände beschreiben: unsicher, verzweifelt, zuversichtlich, erleichtert, frustriert oder ruhelos.
Zwischen den Extremen
Mit Drag-and-Drop kann man bis zu drei Begriffe auf die Kugel ziehen, worauf sich diese verwandelt. Sie bekommt Stacheln, wölbt sich aus oder verzieht sich.
Auch die Farben ändern sich und je nach Gefühlen verwandelt sich die Soundlandschaft. Das so visualisierte Gefühl, diesen sich bewegenden Gefühlskörper, kann man als Video speichern und teilen.
Bei den angebotenen Gefühlen fällt auf, dass in vielen Vorschlägen Negatives mitschwingt. Begriffe wie «verliebt» oder «glücklich» fehlen.
«Wir haben geschaut, dass wir vor allen Dingen Gefühle drin haben, die eher in der Mitte sind», sagt Judith Mair. Denn zwischen «traurig» und «glücklich», «verliebt» und Liebeskummer oder «gestresst» und «ausgeglichen» gäbe es eine ganze Spannweite an Gefühlen, die wir oft gar nicht wahrnehmen.
Gefühle seien ein Spektrum, so Mair. «Deshalb man kann in der App auch Gefühle mischen. Schliesslich können wir viele Gefühle gleichzeitig haben.»
Für Jugendliche von Jugendlichen
Entwickelt hat die Trendforscherin die App unter anderem mit Jugendlichen aus der Schweiz im Alter von 12 bis 22 Jahren. Das Form- und Klangdesign sollte sich dabei explizit von der Erwachsenenwelt unterscheiden. Das Ziel war, die App in die Erlebniswelt der Jugendlichen zu integrieren.
«Wir versuchen mit den Bildern, die man erstellen und den Videos, die man versenden kann, Teil einer Kommunikation zu werden, die eh schon läuft.» Man wolle nicht noch etwas Eigenes schaffen.
Die App soll sich bewusst von Erwachsenen-Apps unterscheiden. Ein Menüpunkt der App unter dem Titel «Help» verlinkt direkt auf die Hilfsangebote von Pro Juventute, damit die Jugendlichen im Extremfall sofort Hilfe bekommen.