Doch ganz so rosig ist die Situation nicht. 2016 gab es noch knapp über Tausend Sportvereine mehr. Auch die Mitgliederzahlen stagnieren seit der Jahrtausendwende, stellt die Vereinsstudie 2022 des Sportobservatoriums fest – trotz Fitnessboom und wachsender Bevölkerung.
Stimmt also das alte Lied vom Vereinssterben? So einfach ist es nicht. Eine wichtige Zahl bewegt sich seit einigen Jahren in eine positive Richtung: Die ehrenamtliche Arbeit in Sportvereinen hat von 2016 bis 2022 klar zugenommen.
Insgesamt leisten Personen in Ämtern – also Trainerinnen, Kassiers, Präsidentinnen usw. – in Sportvereinen umgerechnet die Arbeit im Aufwand von über 30'000 Vollzeitstellen. Das entspricht ungefähr der Grösse der SBB.
Noch nicht einmal hinzugerechnet sind Helfereinsätze ohne offizielles Amt – beispielsweise Eltern, die Fahrdienste übernehmen oder Juniorinnen, die bei der Papiersammlung mithelfen. Solche Helferdienste leisten im Schnitt rund ein Drittel der Aktivmitglieder.
Zwischen den verschiedenen Sportarten gibt es aber grosse Unterschiede. Wir schauen uns deshalb die Verbände genauer an.
«Das Ehrenamt bleibt das Fundament des Vereinssports, aber auch seine Achillesferse», fasst die Vereinsstudie des Schweizer Sportobservatoriums zusammen. Denn obwohl das freiwillige Engagement in den letzten Jahren zugenommen hat, sehen es Vereine zunehmend als Herausforderung an, ihre Ämter zu besetzen.
Und klar ist: Ohne ehrenamtliche Einsätze überleben die Vereine nicht.
Wieso nimmt die Freiwilligenarbeit in Sportvereinen zu? Das sagt die Expertin
SRF: Die Anzahl Ämter in Sportvereinen nahm in den letzten Jahren zu – woran liegt das?
Rahel Bürgi: Das hat verschiedene Gründe. Man hat schon vor einigen Jahren erwartet, dass es mehr bezahlte Ämter geben wird und sich die Vereinsarbeit professionalisiert. Das ist dann zwischen 2016 und 2022 auch passiert.
Interessant ist, dass die ehrenamtliche Arbeit gleichzeitig nicht abgenommen hat. Im Gegenteil: Beide Formen von Arbeit – bezahlte und ehrenamtliche – haben zugenommen. Das hat einerseits damit zu tun, dass die Mitglieder immer mehr Anforderungen an die Trainerinnen oder an den Vorstand stellen.
Andererseits führt auch das Jobsharing zu dieser Entwicklung. Es ist heute sehr viel häufiger der Fall, dass man ein Amt nicht mehr alleine ausübt, sondern mit jemandem teilt. Die gestiegenen Anforderungen und das Jobsharing führen schliesslich dazu, dass der Bedarf von ehrenamtlichen, aber auch von bezahlten Mitarbeitenden in den letzten Jahren stark angestiegen ist.
Der Aufwand pro Person ist trotz Jobsharing nicht zurückgegangen. Gibt es dafür eine Erklärung?
Richtig, das Jobsharing führt nicht dazu, dass sich der Aufwand pro Person halbiert. Aber man kann sich die Verantwortung teilen und die Arbeitsqualität steigern. Anstatt dass eine Trainerin das Training am Montag und ein Trainer das Training am Mittwoch leitet, sind beide Personen an beiden Tagen vor Ort und können dann beispielsweise die Trainingsgruppen aufteilen. Das bringt eine Entlastung – der Zeitaufwand reduziert sich dadurch aber nicht.
Was ist die Motivation, unentgeltlich für einen Verein zu arbeiten?
Ehrenämter werden oft ausgeübt, weil es Spass macht, aber auch, weil man mit anderen Vereinsmitgliedern und anderen Ehrenamtlichen zusammenarbeiten kann, weil man dem Verein etwas zurückgeben und ihn voranbringen möchte.
Natürlich auch, weil man sich mit einem Ehrenamt persönlich weiterentwickeln und sich Fähigkeiten aneignen kann, die einen dann auch im z.B. im Berufsleben weiterbringen können.
Die grosse Mehrheit der Ehrenamtlichen sind zufrieden mit ihrem Amt.
Aber wie gesagt: Zentral ist, dass es Freude und Spass macht. Das sieht man auch, wenn man die Ehrenamtlichen fragt, wie zufrieden sie mit ihrem Amt sind. Die grosse Mehrheit ist zufrieden oder sogar sehr zufrieden und über die Hälfte sagt, dass sie das Amt wieder übernehmen würden, wenn man sie heute nochmals fragen würde.
Hilfsarbeiten ohne Amt leisten rund 35 Prozent aller Vereinsmitglieder. Was haben Sie darüber herausgefunden?
Grundsätzlich kann man sagen: Es ist eine heterogene Gruppe von Vereinsmitgliedern, die da mithelfen. Bei kleineren Vereinen ist der Anteil an aktiven Mitgliedern, die Helferdienste leisten, grösser. Das liegt daran, dass ein kleinerer Verein einfach weniger Leute zur Verfügung hat – dann müssen alle mit anpacken. Bei den grösseren Vereinen kann man sich diesen Helferdiensten eher entziehen.
Vereine beklagen, dass ein immer grösserer Teil der Mitglieder eine Konsumhaltung einnimmt.
Ein Grossteil der Vereine erwartet von den Mitgliedern, dass sie mithelfen – dafür bekommen sie ein sehr breites preisgünstiges Angebot. Gewisse Vereine schreiben das sogar vor. Da ist man nicht nur moralisch zur Mithilfe verpflichtet, sondern auch formell. Mittlerweile gibt es auch Vereine, die den Mitgliederbeitrag bewusst höher ansetzen und die Mitglieder können dann mit Vereinsarbeit den Mitgliederbeitrag reduzieren.
Aber die Vereine kämpfen auch mit gesellschaftlichen Entwicklungen wie der zunehmenden Individualisierung und einer wachsenden Selbstbezogenheit. Sie beklagen, dass ein immer grösserer Teil der Mitglieder eine Konsumhaltung einnimmt und den Verein eher als Dienstleister anschaut und sich folglich auch weniger für den Verein engagiert.
Hinweis: Cevi fehlt in den Darstellungen, weil es in der Vereinsstudie keine konkreten Angaben zu der gesamtschweizerischen Anzahl Cevi-Vereine gibt, die Cevi selbst nennt «über 200». Falls Sie die Detailresultate der Cevi interessieren, finden Sie diese hier .