Hanu Fehr bezeichnet sich selbst als Vereinsmensch. Er arbeitet beim Thurgauer Sportamt und kennt die Sorgen und Nöte, die die Vereine zum Teil plagen. Seit 2019 bietet der Kanton auf seine Initiative hin Workshops für Vereinsvorstände an.
Die sogenannte Vereinsschmiede soll den Vereinen helfen, sich weiterzuentwickeln und zu modernisieren. Wenn ein Verein über Mitgliedermangel klage, sagt Fehr, «dann muss der Verein sein Angebot überprüfen.»
Er macht ein Beispiel: «Wenn bei einem Verein mit 100 Mitgliedern gerade mal 20 bei der Versammlung dabei sind, dann ist das ein Alarmzeichen.» Die Vereinsversammlung als höchstes Organ müsste eigentlich das Highlight des Jahres sein, so Fehr.
Die modernere Gestaltung von Vereinsversammlungen sei deshalb eines der Themen bei den kantonalen Workshops. Ein weiteres Feld sei die Vereinskommunikation. Bei all den Anstrengungen gehe es um die Stärkung des Ehrenamts, so Fehr.
Dass gewisse Vereine vor Herausforderungen stehen, weiss auch Fanni Dahinden. Sie berät bei der Fachstelle «Vitamin B» in Zürich Vereinsvorstände aus der ganzen Schweiz.
Trotz Herausforderungen lebendige Vereinslandschaft
Viele Vereine hätten heute etwas mehr Mühe, die Ämter in den Vorständen zu besetzen, weil die Leute heute mobiler und flexibler seien als früher und sich weniger langfristig engagieren möchten. «Da gibt es verschiedene Strategien, um das anzugehen», sagt Dahinden. Man müsse mit dem Zeitgeist gehen und schauen, wie man die Ämter und Strukturen attraktiver machen könnte. Kürzere Sitzungen oder Onlinesitzungen könnten laut Dahinden Lösungen sein.
Gerade in der Coronazeit, als die Vereine stark eingeschränkt waren, weil die Chöre nicht singen, die Blechmusik nicht musizieren und die Turnvereine nicht turnen konnten, haben sich offenbar einige Vereine bereits solch strategische Überlegungen gemacht.
Von unserem Gefühl her geht es dem Vereinswesen sehr gut, es werden immer wieder neue Vereine gegründet.
«Wir haben sehr viel mehr Vereine gehabt, die unseren Statuten-Check wollten, das heisst sie nutzten die Zeit sich über die eigenen Strukturen und Statuten Gedanken zu machen.»
Jetzt, wo sich die Pandemiesituation beruhigt hat, kann man sich auch wieder im Verein treffen. «Viele merken, die Leute kommen und haben total Freude, dass man wieder gemeinsam turnen oder musizieren kann.» Offen sei aber, wie viele Vereinsmitglieder in der Pandemiezeit abgehängt haben. «Hat man diese verloren oder kommen sie wieder?», fragt sich Dahinden.
Trotz Herausforderungen für Vereine ist Fanni Dahinden überzeugt: «Von unserem Gefühl her geht es dem Vereinswesen sehr gut, es werden immer wieder neue Vereine gegründet.»
Kein Vereinssterben in der Schweiz
Dies bestätigt auch Markus Lamprecht. Er beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit den Vereinen im Land und erstellt jeweils den Freiwilligenmonitor für die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft.
Weil die Vereine nirgends gemeldet werden müssen, gibt es zwar keine genauen Zahlen, die Rede ist jedoch von rund 100'000 Vereinen in der Schweiz.
Neben dem, dass einige Vereine sterben, kommen auch immer wieder neue dazu.
«Diese Zahl ist in den letzten Jahrzehnten recht stabil», sagt Lamprecht. Zwar habe es in letzter Zeit bei der grössten Schweizer Vereinsgruppe, den Sportvereinen, einen Rückgang gegeben. Dieser sei aber auf viele Fusionen zurückzuführen.
«Nebt dem, dass einige Vereine sterben, kommen auch immer wieder neue dazu, das gleicht sich eigentlich aus», sagt Markus Lamprecht. Über alle Vereine gesehen, gebe es kein Vereinssterben.