Rund eine Autostunde von Madrid entfernt liegt Valdeluz, eine Planstadt, die komplett ausgestorben wirkt, als wir ihre Strassen mit dem Auto erkunden. Die geplatzte Immobilienblase führte zu einem Investitionsstop. Die für 30'000 Bewohner angelegte Stadt wurde nicht fertig gebaut. Von lediglich 5'000 Bewohnern ist heute die Rede. Die meisten Wohnungen stehen leer, da keine Käufer gefunden wurden. Das einzige, was sich hier um die Mittagszeit bewegt, ist das Laub am Boden und die nicht richtig befestigten «Zu verkaufen»-Plakate an den Rohbaufassaden.
Meine Begleiterin, Architektin Rocío, beschwichtigt: Auch wenn Valdeluz als Symbol für die Immobilienblase gesehen werden könne, sei es nicht grundsätzlich schlimm, dass hier nicht weiter gebaut werde. Dennoch blutet ihr Architektenherz beim Gang durch die gespenstisch leeren Strassen mit den schludrig konstruierten Häusern und der Witterung ausgesetzten Rohbauten, die bereits teure Schäden aufweisen.
Die Krise raubt den Blick nach vorn
Rocío erzählt, sie habe jahrelang alles gegeben, um sich als Architektin ein Leben aufzubauen. Aufträge grosser Immobilienfirmen hätten schnelles Geld gebracht, doch sie entschied sich für eine Arbeit im Heimatschutz. Damit verdient sie heute kaum noch Geld. Mit 35 Jahren ist sie finanziell plötzlich von ihrem Lebenspartner abhängig. Sie sei erzogen worden, als unabhängige Frau zu leben, würde gerne Kinder haben. Das aber sei momentan einfach nicht möglich. Die Krise habe ihr den Blick nach vorne genommen. Findet sie bis Ende Januar keinen ausreichend bezahlten Job, verlassen sie und ihr Freund Spanien wider Willen.
Wir finden ein kleines, gemütliches Restaurant. Sein Besitzer wehrt sich gegen den Begriff «Geisterstadt». Wenn die Leute von der Arbeit kämen, sei sehr wohl etwas los in Valdeluz. Weil ihm hier ein Treffpunkt fehlte, eröffnete er kurzerhand selber ein Restaurant. Vielleicht dauere es noch, bis die Stadt richtig lebe, doch Valdeluz biete auch neue Möglichkeiten. Der Zahnarzt, die Kosmetikerin, er, der Wirt – sie alle konnten hier etwas aufbauen, was in Madrid nicht finanzierbar gewesen wäre. Dennoch: Früher habe man von Bekannten von Bekannten gehört, die den Job verloren hatten. Inzwischen sei in jeder Familie jemand direkt betroffen. Das sei erst recht ein Grund, nicht alles an das System zu delegieren und selber kreativ zu sein.
Zeit, ins Bett zu gehen. Heute nicht im Hotel, sondern im Wohnzimmer von Irene. Wer mit der 29jährigen Studentin mithalten will, muss nämlich früh aufstehen.