Das Wichtigste in Kürze
- Faschistische Folklore ist in Italien verbreitet, denn sie bleibt straffrei.
- Das italienische Parlament diskutiert nun ein Gesetz, das dem Mussolini-Kult einen Riegel schieben will.
- Es ist nicht das erste Gesetz gegen die Verherrlichung des Faschismus. In der Praxis werden Verstösse aber kaum verfolgt.
Wer öffentlich kundtut, dass er Mussolini oder Hitler gut findet, dass der Holocaust eine reine Erfindung sei und die Demokratie zugunsten eines neuen Faschismus abgeschafft werden soll, geht in Italien immer noch straffrei aus.
Wenn die Linke mit der Rechten
Eigentlich sollte ein Gesetzesvorschlag des sozialdemokratischen Abgeordneten Emiliano Fiano im italienischen Parlament schnell über die Bühne gebracht werden. Doch die Beratungen über ein neues Gesetz gegen die Verherrlichung des Faschismus, mit Haftstrafen von 6 Monaten bis 3 Jahren, ziehen sich in die Länge.
Nicht nur ultrarechte und rechte Parteien, sondern auch die Bewegung «5 Sterne» des Ex-Komikers Beppe Grillo bezeichnet den Gesetzesvorschlag als unzumutbare Einschränkung der in der Verfassung garantierten Meinungsfreiheit.
Widersprüchliche Verfassung
Italiens Verfassung verurteilt den Faschismus und spricht sich gegen das Entstehen neuer faschistischen Parteien aus. Sie beschwört aber auch das Prinzip der Meinungsfreiheit. Ein Widerspruch, sollte man meinen.
In Italien aber ist das nicht der Fall. Hier hält man Widersprüche problemlos aus. Und so entstand gleich nach Kriegsende mit dem «Movimento Sociale Italiano» (MSI) eine entschieden neofaschistische Partei.
1960 nutzten die regierenden Christdemokraten den MSI als Mehrheitsbeschaffer. Mit dem Segen der damals noch allmächtigen katholischen Kirche. Nur die Kommunisten protestierten damals dagegen.
Faschistische Folklore
Wie die Politik so auch die Gesellschaft. Im Unterschied zum Nachkriegsdeutschland, dem einstigen Achsenpartner Roms, blühte nach 1945 in Italien weiter die faschistische Folklore.
Mussolinis Geburtsort Predappio wurde zum Pilgerziel alter und neuer Faschisten. Der MSI machte neofaschistisches Gedankengut salonfähig. Ganze Truppenteile des Heeres sympathisierten mit Ultrarechten.
Die Geister der Vergangenheit
Im Gegensatz zum NS-Deutschland gab es in Italien nie eine systematische Aufarbeitung der 20-jährigen Herrschaft des Duce.
So verwundert es nicht, dass nach Kriegsende zahllose Ex-Faschisten, nicht nur Schreibtischtäter, mit dem Segen der regierenden Christdemokraten führende Positionen in allen gesellschaftlichen Bereichen einnehmen konnten. Ohne viel Protest.
Zu ersten Aufsehen erregenden Prozessen gegen faschistische Kriegsverbrecher kam es erst sehr spät. Wenn überhaupt.
Mussolini auf der Weinflasche
In offenem Widerspruch zu zwei bereits seit vielen Jahren existierenden Gesetzen gegen die Verherrlichung des Faschismus blüht neofaschistisches Unwesen und faschistische Folklore. Weinflaschen-Etiketten mit Mussolini-Porträts sind nur die Eisbergspitze eines weit verbreiteten Phänomens.
Ein Blick ins Netz verdeutlicht erschreckende Ausmasse. So wird in diesen Tagen der Abgeordnete Fiano, der das neue Gesetz erarbeitete, hundertfach als «schmutzige Judensau» beschimpft – ohne dass die Behörden gegen diese Rufmordkampagne vorgehen.
Mehr als Papierpolitik?
Kann ein neues, drittes Gesetz gegen die Verherrlichung des Faschismus also wirken? Kann es sinnvoll sein? Das ist die grosse Frage, die in Italien diskutiert wird.
Tatsache ist: Solange die Justiz und die Politik nicht entschieden in jedem Fall bekannt gewordener faschistischer Verherrlichung eingreifen, exisitiert jedes noch so gut gemeinte Gesetz nur auf dem Papier.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur Kompakt, 17.7.17, 17:08 Uhr