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Verbot von Mussolini-Kult Italien will den Duce endgültig beerdigen

Mussolini ist seit 70 Jahren tot, doch in Italien lebt er weiter – auf allerhand Tand. Damit soll jetzt Schluss sein.

  • Faschistische Propaganda ist in Italien weit verbreitet, denn sie ist nicht verboten. Erst letzte Woche hat ein Strandbetreiber in Venedig für einen Eklat gesorgt.
  • Die Zeitung «La Repubblica» berichtete, er versorge seine Badegäste seit Jahren mit Parolen, die das Regime des faschistischen Führers Benito Mussolini verherrlichten.
  • Über dem Eingang sei «Ordnung, Sauberkeit, Disziplin» zu lesen gewesen. Von Lautsprecherdurchsagen mit faschistischen Parolen war die Rede und von Tafeln, die Gaskammern lächerlich machten.
  • Seit dieser Woche berät das italienische Parlament nun eine Gesetzesvorlage, die dem Mussolini-Kult einen Riegel schieben will.
  • Eingebracht wurde der Vorschlag vom sozialdemokratischen Abgeordneten Emanuele Fiano, Sohn eines Auschwitz-Überlebenden.

SRF News: Der faschistische Duce, Benito Mussolini, ist seit 70 Jahren tot. Warum wird ein Verbot faschistischer Propaganda erst jetzt zum Thema?

Rolf Pellegrini: Das Thema ist nicht neu. 1952 wurde in Italien ein Gesetz verabschiedet, das die Wiederbelebung der alten faschistischen Partei verbietet. Es gilt heute noch, konnte die Bildung einer Nachfolgepartei jedoch nicht verhindern. Und die postfaschistische Alleanza Nazionale hat in ihren Reihen Altfaschisten während sehr langer Zeit geduldet. 1992 erliess Italien ein zusätzliches Gesetz, das ethnische Diskriminierung und auch Propaganda unter Strafe stellt, die die Überlegenheit von Rassen behauptet oder anpreist.

Damit könnte die Propaganda doch unterbunden werden?

Der Kassationsgerichtshof machte klar, dass diese Regel die in der Verfassung garantierte Meinungsfreiheit nicht einschränken dürfe. Daher sprach er im letzten Jahr Menschen frei, die den faschistischen Gruss benutzt oder keltische Hakenkreuze zur Meinungsäusserung verwendet hatten. Laut dem Kassationsgericht hegten sie nicht die Absicht, die alte faschistische Partei aufleben zu lassen.

Zwei junge, kahlgeschorene Männer mit schwarzen Capes stehen in der Crypta mit den Steingräbern.
Legende: 2002 formierte sich der Verein Ehrengarde für Mussolini. 400 Freiwillige bewachten das Grab des Duce abwechslungsweise. Reuters

Wie verbreitet ist der Duce-Kult im heutigen Italien noch?

Kommerziell sind der Faschismus und Mussolini gewinnversprechend. In Online-Shops gibt es Tausende Interessierte, die faschistische Andenken, Tand und Schund erwerben wollen. Vor einigen Jahren fragte eine Zeitschrift ihr Publikum nach den wichtigsten Italienern der Geschichte. Mussolini landete mit zehn Prozent auf dem dritten Platz. Nur Leonardo Da Vinci und Giuseppe Garibaldi konnten ihn ausstechen.

Bei einer Umfrage zu den wichtigsten Italienern der Geschichte landete Mussolini auf dem dritten Platz – nach Leonardo Da Vinci und Giuseppe Garibaldi.
Die Bronzestatue des Duce steht auf dem Tresen, an der Wand ein Foto von Mussolini und im Hintergrund der Kellner an der Kaffeemaschine.
Legende: Das Restaurant Il Federale ausserhalb Roms galt während 30 Jahren als Geheimtipp für Schwarzhemden-Nostalgiker. Reuters

Warum distanzieren sich die Italiener nicht stärker von ihrem früheren Diktator?

Einige Italiener haben die faschistische Vergangenheit ihres Landes immer schon schöngeredet, auch jene, die nicht für Mussolini waren. Der Tenor lautete: «Hitler war viel schlimmer.» Die Rassismusgesetze, die Zusammenarbeit mit den Nazis und die Verfolgung der Juden wurden zwar nicht negiert, aber oft im Halbdunkeln gelassen.

War das einmal anders?

In der ersten Republik waren die Christdemokraten und die Kommunisten allerdings darauf bedacht, den Antifaschismus als Sockel des neuen demokratischen Italiens darzustellen. Silvio Berlusconi hat die Postfaschisten ab Mitte der 1990er-Jahre jedoch wieder politikfähig gemacht. Und da gab es an den Rändern, in nationalistisch-nostalgischen Kreisen, auch wieder revisionistische Tendenzen.

Einige Italiener haben die faschistische Vergangenheit ihres Landes immer schon schön geredet.
Schwarz vermummte Männer auf einer Stadiontribüne.
Legende: Anhänger von Lazio Roma zeigen den römischem Gruss und schwingen Fahnen mit dem Duce und dem getarnten Hakenkreuz. Keystone

Was sind das für Leute, die Mussolini nachhängen?

Es sind die Alt-Sympathisanten. Sie kommen aber auch aus der Anhängerschaft von Fussballvereinen. Einige von ihnen, zum Beispiel Lazio Roma, haben ihre Fans in Problemvierteln. Und unter diesen «Fans» hat es zahlreiche Hooligans – Schlägertypen, die vom Faschismus kaum etwas wissen, denen Gewalt aber gefällt und die sich mit den Knüppel-bewehrten Schwarzhemden identifizieren. Daneben gibt es auch klar neofaschistische Bewegungen wie Ordine Nuovo oder CasaPound, die nationalsozialistischen Ideen anhängen und für alle Probleme einfache, drastische und schlagende Lösungen durchsetzen wollen.

Die Anhänger Mussolinis sind einerseits die alten Sympathisanten, sie kommen aber auch aus der Anhängerschaft von Fussballvereinen.

Welche Chance hat die Gesetzesvorlage im italienischen Parlament?

Opposition gibt es kaum. Auch Ex-Faschisten, die zum Teil in Berlusconis Forza Italia oder bei der extremen Rechten noch präsent sind, führen keine faschistischen Argumente an, um gegen das Gesetz zu sein. Das kann sich im Parlament ohnehin keiner leisten. Die Gegnerschaft der von Matteo Renzis Partito Demokratico eingebrachten Vorlage kommt aber ohnehin nicht nur von rechts. Es gibt auch einige durchaus unverdächtige demokratische Mittepolitiker, die das Gesetz für fragwürdig halten.

Gegen das neue Gesetz gibt es kaum Opposition.

Was kritisieren die Gegner an der Vorlage?

Sie monieren, es sei schwer anzuwenden. Soll jemand unter Anklage gestellt werden oder eine Busse bekommen, wenn er am Schlüsselbund einen Messing-Mussolini auf sich trägt? Die Frage ist berechtigt. Und nach den früheren Urteilen des Kassationsgerichtshofs befürchten viele Gegner der Vorlage auch, dass das neue Gesetz die Meinungsfreiheit tangieren könnte. Kampf gegen den Rassismus ja, aber nicht auf Kosten eines anderen Grundrechtes, lautet ihr Argument.

Das Gespräch führte Markus Föhn.

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