Spricht Seline [Nachname der Redaktion bekannt] über Fussball, spricht sie über ein Paradox: Fussball bringe Menschen weltweit zusammen, behandle Männer und Frauen aber ungleich.
Im Profibereich ist das offensichtlich. Die Ungleichbehandlung finde aber bereits im Breitensport statt. «Unser Team musste immer hinten anstehen», sagt Seline, «hinter den Männern, hinter den Buben.»
«Zuerst kommen die Herrenteams»
Sieben Jahre lang kickt sie bei den Basler Old Boys in der 1. Liga. Im Frauenfussball sei das die dritthöchste Liga, erklärt Seline, «gerade an der Grenze zwischen Breitensport und Leistungssport.»
«Ligamässig spielten wir erfolgreicher als die Männer von Old Boys», sagt Seline. Diese kicken in der zweiten Liga, spielen im Verein aber die erste Geige. «Sie hatten alle Privilegien.»
Das merke man bei den Matchzeiten: «Die Primetime ist für die Männer reserviert. An einem Samstagabend im Stadion spielen sicher nicht die Frauen.» Man sehe das bei der Vergabe der Trainingsplätze: «Zuerst kommen die Herrenteams, dann die Junioren und irgendwann die Frauen.»
Die Sache mit den Unterhosen
Die Ungleichbehadlung zeige sich auch bei der Ausrüstung. «Die Herren bekommen die Ausrüstung gesponsert, die Frauen müssen die Trikots selber kaufen oder alte nachtragen», sagt Seline.
Das Herrenteam müsse nur mit einer Unterhose ins Training kommen, weil alles schon parat liege und danach die Trikots auch gewaschen werden.
Die Frauen müssen selber waschen und mit den ausgedienten Bällen der Männer kicken. «Das ging unserem Trainer aber zu weit. Er kaufte uns schliesslich Bälle von seinem eigenen Geld.»
Männer First
Das Frauenteam – in der Liga erfolgreicher als die Männer – muss hinter diesen zurückstehen, ihnen buchstäblich Platz machen.
«Wenn der Kunstrasen an einem Abend für das Frauenteam reserviert war, es aber regnete und die Männer auf dem normalen Rasen nicht spielen konnten, hiess es für uns: Joggingschuhe mitbringen und im Stadion Treppen laufen statt auf dem Kunstrasen trainieren. Den mussten wir für die Herren freigeben.»
Der Verein Old Boys will sich zu diesen Beispielen nicht äussern.
Die Männer haben das Sagen
SRF-Fussballexpertin Seraina Degen sagt, sie kenne andere Beispiele, wo es ähnlich laufe wie bei Old Boys. «Das hängt aber vom Verein ab.» In den letzten Jahrzehnten habe sich punkto Frauenförderung viel getan.
Frauenfussball habe einen Boom erlebt. «Heute spielen viel mehr Frauen und Mädchen in den Vereinen. Zu meiner Zeit in den 1990er-Jahren war ich weit und breit das einzige Mädchen im Verein.» Aber die Vereinsstrukturen, Trainer, Funktionäre, Vorstände, seien noch immer männerdominiert. «Das muss sich ändern», so Seraina Degen.
Klasse gehalten, Vertrauen verloren
Auch beim Basler Fussballverein Old Boys sind die Strukturen männlich. «Das hat unser Team zu spüren bekommen», so Seline. «Trotzdem waren wir motiviert und kämpften um den Ligaerhalt.»
Es war ein Kraftakt, aber wir haben es geschafft.
Das war eine Zitterpartie, besonders letzten Sommer. Das Team hatte Mühe, genügend Spielerinnen für das Kader zu finden. «Es war ein Kraftakt», so Seline, «aber wir haben es geschafft.»
Umso grösser der Schock, als sie vom Präsidenten eine Email bekommt: Der Vorstand habe entschlossen, das Frauenteam aus der ersten Liga zurückzuziehen, da es nicht genügend Spielerinnen gebe.
«Ich war schockiert»
Gegenüber SRF lässt Old Boys schriftlich aussrichten: «Das Team wurde zurückgezogen, weil es zu wenig Spielerinnen im Kader hatte. Mit zwölf Spielerinnen kann man keine Saison in der 1. Liga bestreiten.»
«Ich war schockiert», sagt Seline. «Und dann kam von Seite des Vereins der Vorschlag, wir können uns dem zweiten Frauenteam anschliessen und einen Neustart in der vierten Liga machen.»
Eine Deklassierung und ein Vorschlag, der für sie nicht in Frage kommt. Schliesslich spielte ihr Team jahrelang in der ersten Liga. «Ich wusste, in diesem Verein habe ich als Frau keine Zukunft.»
Neuanfang mit New Stars
Dann geht es Schlag auf Schlag. Seline setzt sich mit dem Basler Fussballverein New Stars in Verbindung. Dieser besteht zu jenem Zeitpunkt aus einem einigen Frauenteam, das in der zweiten Liga spielt.
Die Idee: Die Frauen der aufgelösten Old Boys-Equipe schliessen sich dem Team von New Stars an, gleichzeitig soll eine Nachwuchsabteilung aufgebaut werden. Ein Verein, der nur aus Spielerinnen besteht. «Hier wird keine Spielerin je hinter einem Mann oder Jungen zurückstehen müssen.»
New Stars statt Old Boys
Die Idee geht auf. Viele Spielerinnen von Old Boys wechseln zu den New Stars und es gelingt ihnen bereits eine kleine Sensation. Sie schaffen den Aufstieg in die erste Liga.
«Eine grosse Genugtuung», sagt Seline. Auch die Tatsache, dass es in Basel nun einen Verein inklusive Nachwuchsabteilung gibt, wo die Frauen, die Spielerinen, im Zentrum stehen.
Mit entsprechendem Namen: Die New Stars heissen jetzt Frauenfussballverein Basel. Und der Platz ist immer für die Frauen reserviert.