Tierversuche sollen komplett verboten werden – und auch sämtliche medizinische Versuche am Menschen: Dies fordert die eidgenössische Volksinitiative «Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot». Heute Montag wurde sie mit gut 120'000 Unterschriften bei der Bundeskanzlei in Bern eingereicht.
Hinter der Initiative steht eine Gruppe aus dem Umfeld von kleineren Tierrechtsorganisationen und der Alternativmedizin. Es sind die zum Teil gleichen Initianten, die schon vor knapp 30 Jahren ähnliche Forderungen stellten.
Frühere Initiativen scheiterten
So forderte der Schweizerische Tierschutz schon 1992 «Weg vom Tierversuch»: Tierversuche sollten nur noch erlaubt werden, wenn sie unbedingt nötig sind. Das Stimmvolk lehnte die Initiative relativ knapp ab.
Radikaler waren zwei Versuche 1985 und 1993: Sie forderten ein totales Verbot von Tierversuchen. Beide scheiterten deutlich.
Tierversuche als Verbrechen
In den letzten Jahrzehnten habe ein Umdenken eingesetzt, glaubt Renato Werndli, Co-Präsident der IG Tierversuchsverbots-Initiative: «Die Bevölkerung merkt, dass Krankheiten wie Diabetes, Krebs oder Alzheimer trotz Tierversuchen immer häufiger werden.» Jetzt müsse deshalb etwas Neues kommen.
Zudem habe sich das Verhältnis zum Tier verändert: Es gelte juristisch nicht länger als Sache. Damit würden Tiere als empfindungs- und leidensfähige Wesen anerkannt.
Mit der Initiative wolle man Tierversuche vollständig abschaffen. Solche seien Verbrechen, deshalb die Schlussfolgerung: «Verbrechen muss man nicht regulieren, sondern verbieten.»
Zu radikal für den Schweizer Tierschutz
Die Forderungen gehen selbst dem Schweizer Tierschutz zu weit. So sieht die Initiative auch ein Importverbot für Produkte vor, die im Ausland mittels Tierversuchen getestet wurden.
Das würde die Schweiz komplett isolieren, fürchtet Julika Fitzi, Leiterin der Fachstelle Tierversuche beim Schweizerischen Tierschutz: «Die Initiative führt zu Konsequenzen, die wir nicht vertreten können.» Etwa eine wirtschaftliche oder geografische Abschottung.
Gerade in der Tiermedizin und in der Verhaltensforschung brauche es weiterhin Tierversuche. Für die Humanmedizin dagegen seien Tierversuche wenig aussagekräftig. Da brauche es Versuche am Menschen selber.
Menschenversuch oder nicht?
Doch genau solche Versuche will die Tierversuchsverbotsinitiative ebenfalls verbieten. Renato Werndli, selber Arzt, sieht darin keinen Widerspruch: Die Initiative verbiete Versuche an gesunden Menschen – Therapien an Kranken dürften weiterhin erprobt werden.
«Wenn man neue Medikamente vorsichtig und mit Microdosing anwendet, ist das für uns eine Anwendung und kein Menschenversuch», sagt Werndli.
Kein Geld für Alternativmethoden
Zentral wären bei einer Annahme die Alternativen zu Tierversuchen – und die gebe es auch, sagt Julika Fitzi vom Schweizer Tierschutz. Etwa Literaturstudien, Computersimulationen oder Forschung an Zellkulturen.
Die Schweiz unterstütze solche Methoden aber weniger als Tierversuche. «Alternativmethoden müssen mindestens die gleiche staatliche Unterstützung bekommen wie Tierversuche. Das ist eines unserer grössten Anliegen», sagt Fitzi. Hier haben die etablierten Tierschutzorganisationen und das Initiativkomitee die gleiche Meinung.
Vorstösse aus dem Parlament
Gleichzeitig tut sich auch bei den Behörden etwas: Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen will nicht zur Initiative Stellung nehmen, verweist aber auf deutlich gesunkene Tierversuchs-Zahlen.
Das Parlament wird sich zudem bald mit zwei Vorstössen der Grünen Nationalrätin Maja Graf befassen. Sie fordern ein Verbot von schwer belastenden Tierversuchen und die bessere Förderung von Ersatzmethoden.