Die hölzerne Lagerhalle auf dem Basler Dreispitz wirkt, als gäbe es hier nichts, was es nicht geben könnte: In den Regalen stapeln sich Farben, Stoffrollen, Dosen mit Knöpfen und alten Gürtelschnallen. Man kann hier eine Schachtel voller Kaffeerahmdeckel entdecken und eine andere mit lauter Puzzleteilen. Dazwischen stehen alte Schaufensterpuppen, von den Wänden baumeln alte Anatomieplakate.
Simone Steinegger liebt diesen Ort: «Das Tolle ist, dass einen die Materialien hier dazu inspirieren, etwas Neues zu schaffen.» Steinegger spricht aus Erfahrung. Sie ist bildende Künstlerin und Co-Leiterin des «Offcut».
Wiederverwenden statt wegwerfen
Die Qualität der Materialien sei sehr unterschiedlich, betont sie. Manches ist nagelneu: Zum Beispiel bringen Firmen Abschnitte von Glasscheiben oder Holzstücke vorbei, die sie nicht mehr verwenden können. Modeunternehmen spenden Stoffrollen aus der vergangenen Kollektion.
Andere Dinge sind schon benutzt worden. Menschen bringen Ordner, Perlen oder Briefmarkensammlungen vorbei, weil sie sie nicht mehr brauchen oder sie verstorbenen Verwandten gehört haben. Eine Gemeinsamkeit gibt es aber: Gäbe es das «Offcut» nicht, würden diese Dinge im Müll landen.
Nur kaufen, was man braucht
Damit die Materialien effizient verwendet werden, kann jeder genau so viel kaufen, wie er oder sie gerade braucht, erklärt Steinegger «Wir heissen ja Offcut. Das heisst, man kann sich von dem Material abschneiden, wie viel man haben möchte.» Das geht vor allem gut bei Papier, Stoff oder Holzlatten. Einzelne Schrauben und kleine Metallteile dagegen werden abgewogen. Kostenpunkt: 50 Rappen pro 100 Gramm.
Alle Materialien kosten nur die Hälfte bis ein Drittel ihres Marktwertes, deutlich günstiger als in jedem Baumarkt. Das sei Teil des Konzepts, betont die Co-Leiterin: «Die Sachen sind so günstig, weil wir möchten, dass sie wiederverwendet werden. Wir möchten nicht darauf sitzenbleiben.»
«Die meisten Materialien haben ein zweites Leben verdient»
Die günstigen Preise sind ein Grund, weshalb vor allem Lehrer und Künstlerinnen regelmässig in der Lagerhalle vorbeischauen. Eine Frau, die gerade die Stoffecke durchstöbert, kommt regelmässig. Sie sei ein «Recycling-Freak». «Ich finde, die meisten Materialien haben ein zweites Leben verdient.» Aus den Textilien im «Offcut» nähe sie Kinderkleidung, Turnbeutel oder Tischsets. Aus alten CDs bastele sie Kerzenständer und Geschenkverpackungen.
Obwohl es Stammkundinnen wie diese gibt, trägt sich das «Offcut» nicht selbst. Das Projekt wird vor allem durch Stiftungen finanziert. Ziel sei aber, dass sich der Materialmarkt irgendwann über den Verkauf finanzieren könne.
Simone Steinegger und ihr Team tun jedenfalls ihr Bestes, um noch mehr Menschen mit dem Wiederverwertungs- und Bastelfieber anzustecken: In der alten Lagerhalle gibt es eine Bibliothek mit DIY-Büchern und ein Atelier, in dem man gemeinsam Dinge bauen und sogar Plastik einschmelzen kann. Zudem kann man in Workshops die Schätze gleich verwerten, die sich im «Offcut» finden lassen.