Die Gewerbehalle am Stadtrand von Luzern wirkt auf den ersten Blick wie ein gewöhnlicher Bau- und Hobbymarkt. Regal reiht sich an Regal, darin liegen Keramikplatten, Holzbretter und Eisenwaren. Weiter vorne Pinsel, Farben, Kabelrollen, alles fein säuberlich geordnet; auch eine Textilabteilung gibt es, mit Stoffbahnen in den verschiedensten Farben und Mustern.
Der Unterschied zu einem normalen Markt für Heimwerkerinnen und Bastler: All diese Dinge haben schon einmal jemandem gehört.
Ein Markt für übriggebliebene Dinge
Der Begriff «Offcut» bedeutet so viel wie «Schnittabfall» – Holz- oder Stoffreste, nach dem Zuschneiden eines Bretts oder dem Schneidern eins Kleids. Genau das ist die Idee des neuen Offcut-Markts in Luzern: Hier wird verkauft, was nach dem letzten Heimwerker-Projekt übriggeblieben ist. Material, das zwar nicht mehr neu ist, aber neuwertig. Das einmal angeschafft, dann aber nicht gebraucht wurde. Und um das es schade wäre, wenn es im Abfall landen würde, weil andere Bastlerinnen und Bastler es gut gebrauchen können.
Mitinitiantin dieses neuen Restmaterialen-Markts ist Cornelia Balsiger. Im Hauptberuf ist sie Gestalterin und Erwachsenenbildnerin, daneben aber auch Mitglied des Vereins Offcut Luzern, der den Markt betreibt. «Es gibt Privatpersonen, die daheim ein erstaunlich grosses Lager an Dingen haben, die sie nicht brauchen», sagt sie. «Aber auch von Firmen haben wir Unmengen von intaktem Material bekommen, das sonst entsorgt worden wäre.» Dekomaterial etwa, Papierwaren, Stoffe. Aber auch Dinge, über die Balsiger staunt.
Wir haben Unmengen von intaktem Material bekommen, das sonst entsorgt worden wäre.
Sie zeigt auf ein Regal voller Flaschen und Gläser. «Hier haben wir wunderschöne Glasgefässe, die wahrscheinlich aus chemischen Laboratorien stammen», sagt sie. «Oder hier: Papierbögen, die mit Samt beschichtet sind, wie sie in Buchbindereien verwendet werden.»
Offcut-Märkte gibt es bereits in Basel, Bern und Zürich. Alle werden lokal von einem Verein geführt, die Mitglieder arbeiten weitgehend ehrenamtlich. Die Produkte werden etwa zu einem Drittel des ursprünglichen Preises verkauft. Die Einnahmen, so das Ziel, sollen die Mietkosten decken.
«Wir sind keine Gratis-Deponie»
Das System ist einfach: Wer Restmaterialen hat, nimmt Kontakt mit dem Verein auf und bringt es im Markt vorbei. Allerdings, sagt Cornelia Balsiger: «Was ramponiert ist, weisen wir zurück. Wir sind keine Gratis-Deponie, wir wollen intakte Produkte, die wir dann in einem schön gestalteten Laden zum Kauf anbieten können, statt dass sie im Müll landen.»
Geld gibt es zwar keines für das abgegebene Material – dafür das gute Gefühl, dass jemand anders damit etwas anfangen kann.
Weniger wegwerfen, nachhaltiger leben
Der Offcut-Markt sei auch ein Statement für eine nachhaltigere Wirtschaft und gegen die Wegwerfmentalität, sagt Balsiger. «Wir werden die Welt damit nicht retten. Aber vielleicht löst das etwas in den Köpfen aus: Man muss nicht ständig neue Dinge kaufen, man kann auch aus den Dingen etwas machen, die bereits da sind.»
Darum geht es eben auch im Offcut-Markt: Schauen, was alles da ist, und sich davon inspirieren lassen. «Herumstöbern, bis es Klick macht und eine Idee da ist», sagt Balsiger. «Etwas Neues schaffen aus Dingen, die beinahe entsorgt worden wären – das ist faszinierend.»