Kunst ist, was zur Kunst erklärt wird. Von wem auch immer. Eine andere Definition ist heute nicht mehr möglich. Die Frage nach der Qualität stellt sich erst anschliessend. Was zur Kunst erklärt wird, kann Quatsch sein oder ein unschätzbarer Wert. Wer entscheidet? Jeder für sich selbst. Oder die Gesellschaft im Verlauf von Jahrzehnten. Was aber, wenn einige Leute für alle andern entscheiden müssen? Dann beginnt der Streit. Beispielhaft ist die öffentliche Kunst in der Demokratie.
Kunstwerke haben ihre eigene Zeit. Sie können erlöschen oder erst nach Jahren zu leuchten beginnen. Über Tinguelys Heureka wurde 1964 getobt wie heute über den Hafenkran, mit den gleichen Worten: «Schrotthaufen». Statt vor dem Kunsthaus hat man die Maschine schliesslich am äussersten Stadtrand aufgestellt. Heute ist sie Zürichs populärstes Kunstwerk. Den Alfred Escher vor dem Bahnhof und den Zwingli hinter der Wasserkirche kennen nur die Tauben.
Nicht nur Kinder und Tiere
Was, wenn man immer abstimmte? Dann würden Tiere oder Kinder oder Tiere mit Kindern aufgestellt. Für Zürich käme Heidi mit der Geiss in Frage. Europäisch am erfolgreichsten sind bis heute die kleine Seejungfrau und Manneken Pis. So populär wie sie sind sonst nur Türme: der Eiffelturm und der schiefe Turm von Pisa. Sehr hoch ist also auch gut. Das gibt dem Hafenkran Chancen.
Kunstwerk kann eine Sache oder ein Ereignis sein. Die Sache will dauern, das Ereignis für eine gesetzte Zeit begeistern. Ein Feuerwerk-Bouquet braucht sieben Sekunden, ein Ballett eine Stunde, der Hafenkran acht Monate. Die Diskussion hat von Anfang an das Werk als Ereignis mit dem Werk als feste Sache verwechselt. Hier geht es um ein Ereignis. Der Hafenkran ist nur dessen Hauptelement. Ob man dabei an das Meer denkt, oder an die Kosten, oder an die schrillen Proportionen, oder an den Stadtrat, oder an das Fotosujet, oder an den Unterschied zum David von Michelangelo, spielt keine Rolle. Hauptsache man befasst sich damit als schauender, denkender, fühlender, verärgerter oder vergnügter Mensch.
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