Literaturtipp
Bora Chung überschreitet gekonnt die Grenzen des guten Geschmacks: Wer Groteskes mag und etwas starke Nerven hat, sollte die Shortstorys der Koreanerin Bora Chung unbedingt entdecken. Unter dem Titel «Der Fluch des Hasen» versammelt sie Geschichten, die im Alltag beginnen, immer absurder werden und meisterhaft im Unheimlichen enden. Eine Mischung aus Fantasy, Horror und feministischer Gesellschaftskritik. Und wer so überraschend über patriarchale Strukturen, Gier und die Gesellschaftsordnung schreibt wie Bora Chung, darf die Grenzen des guten Geschmacks gerne übertreten. (Markus Tischer)
Konzerttipp
Shabaka Hutchings zwischen Jazz und Clubsounds: Egal ob ab Tonträger, im Video oder auf der Bühne: Der Saxofonist und Flötist Shabaka Hutchings ist immer ein Ereignis! Dank dem Spagat, den der Londoner völlig selbstverständlich zwischen Ethnomusik, Jazz und Clubsounds vollbringt, erfreut er sich mittlerweile auch einer grossen Fangemeinde. Und auch wenn mir die Kollaboration mit dem Gimbrispieler Majid Bekkas und dem US-Schlagzeuger Hamid Drake noch nicht viel sagt – ich werde auf jeden Fall da sein, wenn sie am unerhört!-Festival auftreten. Denn Shabaka hat mich noch nie enttäuscht! (Roman Hosek)
Filmtipp
Colm Balréad rührt zu Tränen: Der herzzerreissend schöne irische Spielfilm «The Quiet Girl ((An Cailín Ciúin)» erzählt von einem stillen Mädchen, das den Sommer bei einem älteren Ehepaar verbringt und erst bei diesen Fremden erfährt, was sie zuhause nicht findet: Liebe und Geborgenheit. Es sind oft die einfachen Geschichten, die die grösste Wirkung erzielen. So entfaltet sich auch in «The Quiet Girl» Vieles erst im Lauf der Handlung, in kleinen Gesten, in kurzen Bemerkungen, in den wunderschönen Filmbildern. Taschentücher bereitlegen! (Brigitte Häring)
Ausstellungstipp
Das Private ist bei Guy Ben Ner immer politisch: Mit einfachen Mitteln und abgründigem Humor bezieht der israelische Künstler Guy Ben Ner sich und seine Umgebung in seine Videos ein. Sei es, wenn er sich mit seiner Familie in Ikea-Filialen einnistet, um in Muster-Wohnzimmern über die Eigentumsfrage zu streiten. Sei es in der eigenen Küche, in der das Alltägliche auf einmal bedrohlich wirkt: Der Mixer dröhnt wie ein Kampfflugzeug. Oder das Zischen von Eis in der Pfanne klingt wie eine Explosion. Die Ausstellung «We’ve all lost» zeigt eindrücklich, wie Gesellschaft und Politik alle Bereiche des Lebens durchdringen. (Irène Grüter)
Albumtipp
Hochkarätige, frische Musik aus Lausanne: Nur knapp anderthalb Jahre nach ihrem Debüt stellt die Lausanner Musikerin Delia Meshlir bereits ihren nächsten Langspieler vor. «Bring Back the Light» ist Songwriting-technisch ein guter «Gump» nach vorne. Der Song «Goodbye California», eines der Highlights des Albums, entstand aus einem Text, der über fünf Jahre alt ist. Die Gefühlswelt von damals scheint also auch heute noch zu passen. Und: Die PJ Harvey-Vergleiche gehören ab sofort der Vergangenheit an – auch dank der wilden Saxofon-Ausflüge von Stefan «Sha» Haslebacher. (Luca Bruno)