Albumtipp
Das coolste Album für die kalte Jahreszeit: Lost Girls – «Selvutsletter»: Mit der Unterstützung ihres Ehemanns Håvard Volden bringt die interdisziplinär tätige Norwegerin Jenny Hval auf ihrem neusten Album «Selvutsletter» (deutsch: Selbstaulöschung) nordische Wintergefühle auf den Punkt: experimentell und doch pragmatisch, cool aber bequem, genauso abgründig wie lebendig. Eine Platte für die Winterzeit und für Fans von Björk oder Laurie Anderson. (Luca Bruno)
Bühnentipp
«Immer Ärger mit Bartleby» am Theater Basel: Bartleby verweigert die Arbeit: «Ich möchte lieber nicht.» Doch das Marketingteam der Pharmafirma «Boche» missversteht die neue Mitarbeiterin und vermarktet ihre Ablehnung als Slogan für ein Beruhigungsmittel – mit Erfolg. Bartleby wird zur Teamleiterin befördert und das Chaos nimmt seinen Lauf. Regisseur Rocko Schamoni versetzt Herman Melvilles Rebellen in die Gegenwart. Er stellt mit viel Witz die Widersprüche der modernen Arbeitswelt aus und treibt die Auswüchse der New Work auf die Spitze. Damit gelingt ihm und dem spielfreudigen Ensemble ein kurzweiliger Theaterabend. (Fabienne Nägeli)
Filmtipp
«Unrueh» – Wenn Anarchie auf Pünktlichkeit trifft: Cyril Schäublins gefeierte Kapitalismus-Kritik zeigt, wie unser Land im späten 19. Jahrhundert tickte. Der Titel «Unrueh» bezieht sich nicht nur auf die Stimmung, die damals unter Fabrikarbeiterinnen in Schweizer Uhrenfabriken herrschte. Sondern auch das mechanische Herz der Zeitmesser, welches unter Hochdruck hergestellt werden musste. Mit Leichtigkeit erzählt Schäublins Kino-Kunstwerk Unerhörtes: dass die Romandie damals zum globalen Hotspot der anarchistischen Bewegung avancierte. (Selim Petersen)
Konzerttipp
Konzert oder Performance? Umlilo zu Gast in Bern: Umlilo ist Gestaltenwandlerin und Geschichtenerzählerin. Spielerisch wandelt sie zwischen Konzert und Performance-Kunst, designt Kostüme und 3D-Modelle und füttert so alle Sinne ihres Publikums. In Bern präsentiert Umlilo ihr neustes Album «Mpumi». Benannt nach ihrer verstorbener Mutter, besingt Umlilo darauf die unzähligen Formen, in denen sich Schmerz im Menschen manifestieren kann. Die Mischung aus Alternative Pop, südafrikanischem Kwaito und Electronic Music wirkt kathartisch. (Luca Bruno)
Lesetipp
Liebe zu Zeiten des Rassismus – René Marans «Ein Mensch wie jeder andere»: Die Liebe überwindet alle Schranken, könnte man meinen, schliesslich füllen Bücher mit diesem Topos ganze Bibliotheken. Der Roman «Ein Mensch wie jeder andere» des Franzosen René Maran (1887–1960) erzählt eine andere Geschichte: Ein Schwarzer und eine Weisse lieben sich. Doch er lässt die Liebe nicht zu, weil er sich ihr als unwürdig empfindet. Wegen seiner Hautfarbe. Der Roman erschien 1947 und liegt nun erstmals auf Deutsch vor. Er macht mich tief betroffen: Er zeigt den Rassismus, der sich ins Innerste der Seele frisst. (Felix Münger)