Albumtipp
Indie wie in den Nullerjahren: Zum dritten Mal in Folge ging Jack Antonoff Anfang Jahr mit dem goldenen Grammophon für den «Producer of the Year» von den Grammys heim. Taylor Swift, Lana Del Rey und The 1975 gehören zu seinen besten Kundinnen und Kunden. Nun hat der Superproducer ein neues Ziel: neu zu definieren, wie sich eine Band 2024 anhört. Spielwiese für dieses ambitionierte Unterfangen ist Jack Antonoffs eigene Band Bleachers. Die musikalische Revolution bleibt auf dem neuen Album zwar aus, doch «Bleachers» hört sich wunderbar vertraut nach Nullerjahre-Indie an. (Lea Inderbitzin)
TV-Tipp
Kino für zuhause: Wer sich dieses Jahr mit dem kommenden Schweizer Filmpreis beschäftigt, stellt sich viele Fragen: Warum ist keine Produktion aus der Deutschschweiz in der Kategorie «Bester Spielfilm» berücksichtigt worden? Skandal, oder kann es die Romandie einfach besser? Und warum wurde die Komödie «Bon Schuur Ticino» nicht nominiert? Wer sind stattdessen die Favoriten? Darüber diskutieren SRF-Moderator Selim Petersen und die Filmexpertinnen Marcy Goldberg, Denise Bucher und Ann Mayer in der Sternstunde Kunst am Sonntag. Mehr Kino im TV gibt es dieses Wochenende nicht. (Enno Reins)
Konzerttipp
Mensch vs. KI: Das zum zweiten Mal in Basel stattfindende Festival «Interfinity» bringt Musik und Wissenschaft zusammen. Auf vergnügliche Weise an einem Abend, an dem zwei mal fünf Musikstücke ins Rennen geschickt werden. Einmal sind sie von einer KI komponiert, einmal von Menschen. Jeweils in einem bestimmten Musikstil. Wer überzeugt mehr? Das Ganze ist nicht bierernst, sondern als Gameshow aufgezogen. Die Show wird mit zwei wissenschaftlichen Intermezzi ergänzt. Am Apéro danach gibt’s Gelegenheit zum Austausch. (Benjamin Herzog)
Bühnentipp
Grosse Emotionen und noch grössere Fragen: Was bedeutet Mütterlichkeit? In Bertolt Brechts Stück «Der kaukasische Kreidekreis» reissen sich zwei Frauen wortwörtlich um ein Kind. Diejenige, die loslässt, gewinnt. Das Theater Hora mit kognitiv beeinträchtigten Spielenden stellt seine eigenen Fragen an den Stoff: Wer könnte sich sonst noch als Mutter eignen? Und wenn das Kind nicht so niedlich wäre? Fragen, die sie selbst betreffen. Fragen nach der Rolle, die sie spielen. Regisseurin Helgard Haug (Rimini Protokoll) schafft ihnen einen behutsamen Rahmen. Und das alte Lehrstück beginnt neu zu flirren. (Andreas Klaeui)
Literaturtipp
Gehaltvoll und fesselnd: 15 Jahre nach seinem Erfolg «Retour à Reims» (2009) schreibt der französische Schriftsteller, Soziologe und Philosoph Didier Eribon seine Familiengeschichte weiter und wird dabei hochpolitisch und hochemotional. «Eine Arbeiterin. Leben, Alter und Sterben» ist das Portrait der Mutter. Leichtfüssig, gehaltvoll und fesselnd erzählt – und aus eigener Betroffenheit heraus. Das Buch beginnt mit der Platzierung von Eribons 87-jährigen Mutter in einem Pflegeheim. Sie wird das aber nicht ertragen und innert sieben Wochen sterben. Eribon setzt sich klug mit Altersdiskriminierung auseinander und beim Lesen stellt sich die Frage: Zählen betagte Menschen nichts? Warum finden ihre Klagen kein Gehör? Worin liegen die Gründe? (Annette König)