Albumtipp
DIY-Rock im kühlen Kämmerchen hören: «Still Willing» könnte man Stimmungsschwankungen unterstellen: Mal ist das Album laut und energisch, mal leise und nachdenklich. Songschreiber Willem Smit aus Amsterdam ist zwar verantwortlich für diese Songs, ist aber ein ausgeglichener Typ. Die musikalischen Stimmungsschwankungen stammen von Smits grosser Musikliebe. Er ist Musikfan durch und durch und lässt seinen breiten Musikgeschmack auch in seine Band Personal Trainer einfliessen. Nun veröffentlichten die Niederlänger ihr zweites Album: DIY-Rock, der auf alle Seiten ausufert. Lea Inderbitzin
Konzerttipp
Ein Konzert am kühlen Bergsee geniessen: Wie klingt die Utopie? Das erforscht das Davos Festival: mit einem Soundwalk, einer offenen Bühne – und mit viel Musik, gespielt von jungen, aufstrebenden Nachwuchskünstlerinnen. Jedes Konzert kombiniert Raritäten mit Klassik-Hits und steht unter einem eigenen Motto: etwa «Musik für die einsame Insel» (Bach – oder Debussy?), «Überdosis» (mit Violine, Sopran und Schlagzeug), oder «Freie Sicht aufs Meer». Letzteres meint den Davoser Schwarzsee, den man beim morgendlichen Brunchkonzert mit Live-Musik und Kulinarik bestaunen kann. Jenny Berg
Filmtipp
Sich im klimatisierten Kino gruseln: Eine FBI-Agentin mit einem schon fast übernatürlichen Spürsinn (Maika Monroe) jagt in «Longlegs» einen Serienmörder (Nicolas Cage), der es durch einen ebenfalls übernatürlichen Trick schafft, auf Distanz zu töten. Mit einem Pitch, der nicht von ungefähr an «Twin Peaks» erinnert, gelingt Oz Perkins ein ausgesprochen atmosphärischer Gruselfilm, dessen hauptsächliche Überraschung nicht aus einem abstrusen Twist besteht, sondern darin, dass er ein aufwühlendes Familiendrama in sich birgt. Nicht einfach nur der Horror-Hype des Moments, sondern ein aufrichtig bewegender Film. Georges Wyrsch
Bühnentipp
Einem bewegenden Theaterstück lauschen: Theatrales Statement gegen den Krieg. Die polnische Theatermacherin Marta Górnicka hat sich in den letzten Jahren einen Namen gemacht für eine neue Art des chorischen Theaters. In ihrer aktuellen Produktion «Mothers. A Song for Wartime» stehen 21 ukrainische, belarussische und polnische Frauen und Mädchen auf der Bühne und singen und rezitieren gegen die Auswirkungen des Krieges an. Ein zutiefst berührender Abend, der in diesem Sommer schon auf vielen europäischen Festivals mit Standing Ovations bedacht wurde. Next stop: Zürcher Theaterspektakel. Dagmar Walser
Literaturtipp
Ein Buch im Schatten lesen: Wie wurde aus der jungen, offenen, an Kunst und Fremdsprachen interessierten Magda Quandt die flammende Nationalsozialistin und «Übermutter des Dritten Reichs» Magda Goebbels? Diesen Weg zeichnet Nora Bossong in ihrem neuen Roman mit dem Titel «Reichskanzlerplatz» nach, anhand eines kaum bekannten Weggefährten. Dabei bietet sie ungeschönte Einblicke in die Abgründe der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie – immer vor dem Hintergrund der Frage, wo die spätere Magda Goebbels in ihrem Leben anders hätte abbiegen können. Ein unbequemes, aber höchst beeindruckendes Buch. Simon Leuthold