«Ich bin ganz verrückt nach Angelika Kauffmann», sagt Kunstsammler Kurt Grabher mit leuchtenden Augen. Mehr noch: «Ich bin verliebt in sie und in ihr Werk.» Grabher gesteht seine Faszination für die klassizistische Malerin mit Schweizer Wurzeln – mitten in London. In der Royal Academy of Arts ist der 1741 in Chur geborenen Malerin aktuell eine Ausstellung gewidmet.
Der Sammler ist eigens aus dem Bregenzer Wald angereist, um sein Kauffmann-Gemälde wiederzusehen. Der pensionierte Textilhändler gibt seine acht Bilder, seine Druckgrafiken und Zeichnungen nur ungern weg. «Viele lagere ich in Schubladen. Ich hole sie regelmässig hervor und stelle sie auf eine Staffelei, um mich daran zu erfreuen.»
Angelika Kauffmann war die berühmteste Künstlerin des 18. Jahrhunderts.
Feurige Verehrer und Verehrerinnen hatte Angelika Kauffmann schon zu Lebzeiten: «The whole world is angelicamad», soll ein Londoner Kupferstecher über die grosse Nachfrage nach Kauffmann-Reproduktionen gesagt haben.
Netzwerkerin und Geschäftsfrau
Angelika Kauffmann wird in eine musische, intellektuelle Familie geboren. Ihr Vater Joseph Johann Kauffmann gibt ihr Malunterricht, sobald sie einen Pinsel halten kann. Er arbeitet selbst als Fresken- und Porträtmaler am Hof des Churer Bischofs. Ihre Mutter Cleophea Luz erzieht sie viersprachig und unterrichtet sie in Gesang und am Klavier.
Im Alter von elf Jahren zieht sie mit der Familie nach Como und erregt mit ihren Talenten Aufsehen. «Sie wird an den Höfen und in den Adelshäusern der Lombardei und des Bodenseeraums als Wunderkind gefeiert», sagt die deutsche Kunsthistorikerin Bettina Baumgärtel.
Sie leitet ein Forschungsprojekt zu Angelika Kauffmann, das zum Ziel hat, ein umfassendes Werkverzeichnis der Gemälde, Zeichnungen und Druckgrafiken zu erstellen. Baumgärtel hat auch die Londoner Kauffmann-Ausstellung kuratiert.
«Angelika Kauffmann war die berühmteste Künstlerin des 18. Jahrhunderts», sagt sie. «Sie traf den Zeitgeist, war eine gute Netzwerkerin und Geschäftsfrau.»
Von Porträts zu Historien
Der Durchbruch gelingt der Künstlerin mit 22 Jahren in Rom – unter anderem mit dem Bildnis des Archäologen Johann Winckelmann. Mit 25 Jahren zieht sie nach London und porträtiert dort Adelige, darunter die Schwester des englischen Königs Georg III, Prinzessin Augusta, später gar Königin Charlotte.
«Emanzipierte adelige Frauen fanden es spannend, sich von diesem jungen, weiblichen Talent porträtieren zu lassen», sagt Kauffmann-Expertin Bettina Baumgärtel. Doch Kauffmann beschränkt sich nicht darauf, Porträts zu malen. Sie will mit Historienbildern überzeugen. «Wer ernst genommen werden wollte, musste sich in dieser Disziplin beweisen», so Baumgärtel. «Kauffmann hatte diesen Ehrgeiz. Sie war eine unermüdliche Malerin. Und sie schafft es.»
Angelika Kauffmann: Wiederentdeckt
Das Werk von Angelika Kauffmann umfasst rund 800 Gemälde, rund 400 Zeichnungen, 40 Radierungen, eine Fresko-Serie sowie einzelne Pastelle und Miniaturen. Darüber hinaus entstanden über 600 Druckgrafiken und unzählige Kopien.
«Praktisch jede Woche taucht eine weitere ‹Kauffmann› auf», sagt Bettina Baumgärtel, die oft als Expertin hinzugezogen wird. «90 Prozent davon sind Nachahmungen oder Fälschungen», so Baumgärtel. «Doch in Privatsammlungen tauchen bis heute auch echte Werke von Angelika Kauffmann auf, die als verschollen galten. Das ist faszinierend.»