Die Fotografien von Daniel Schwartz verweisen auf die Widrigkeiten der Welt. Beharrlich, aber nie plakativ. Da sind schwer arbeitende Menschen. Zum Beispiel vietnamesische Arbeiterinnen, die ein russisches Frachtschifft von Hand entrosten. Wahrscheinlich viel zu viele Stunden am Tag, für viel zu wenig Geld.
Andere Bilder zeigen Aufnahmen aus Krisengebieten. Das Schienbein eines Rohingya-Flüchtlingkindes. Zertrümmert vom Gewehrkolben eines burmesischen Soldaten.
Daniel Schwartz ist kein Fotograf, der das tagesaktuelle Geschehen abbildet. «Ich reagiere nicht auf Ereignisse, sondern verfolge Entwicklungen und Verflechtungen von Interessen über längere Zeiträume», so Schwartz.
So auch seine Aufnahmen von 2001 aus Herat/Afghanistan. Es sind Menschen zu sehen, die vor dem Hunger und dem Talibanregime flüchten. Fotograf Daniel Schwartz meint: «Die Bilder sind mehr als 20 Jahre alt und heute wieder aktuell.» Die Fotografien bekommen fast etwas Prophetisches. Das abgebildete Unheil verweist auf das künftige Unheil.
Es könnten Aufnahmen aus dem heutigen Afghanistan sein. Denn niemand hat das Unheil verhindert. Die Brutalität der Welt ist menschengemacht. Und die Brutalität ist global verkettet.
Die Ausstellung im Kunstmuseum Luzern zeigt auch Bilder aus den Überflusszentren der Welt. Eine Aufnahme der Wallstreet. Ein Bild vor Tiffany & Co. Gut geölte Maschinen der Konsumgesellschaft. «Tiffanys ist die Metapher des Überflusses. Wenn man das Bild aber genau betrachtet, sieht man auf dem Trottoir vor Tiffanys die senegalesischen Strassenhändler», sagt Schwartz.
Knappheit und Überfluss
Die Ausstellung «Tracings» zeigt, wie ökonomische Verhältnisse ihre Schatten werfen und die Welt formen. Auf einer Aufnahme sehen wir eine kambodschanische Rubinensucherin. Sie wurde von Landminen verletzt und ist an Malaria erkrankt. Ihr Mann pflegt sie, im Arm hält er ein Kind. Ein intimes Bild voller Fürsorge und Verletzlichkeit.
Daniel Schwartz kartografiert das Prekäre und in ihm die Überlebensfähigkeit der Menschen. Es sind Menschen in permanenten Ausnahmesituationen. Und doch an einem ganz gewöhnlichen Tag. «On An Ordinary Day», so die Bildlegende einer weiteren Aufnahme.
Daniel Schwartz macht die Aufnahmen auch dort, wo die Geschicke der Welt mitentschieden werden. Aber es trotzdem praktisch nichts abzubilden gibt.
Etwa in einem Verwaltungsraum der Vorstandsetage der Federal Reserve Bank. Ein hochpolierter Sitzungstisch mit einer Intarsie. Ein Lichtstrahl fällt direkt darauf und reflektiert hinaus in die Welt.
Das letzte Bild der Ausstellung ist wieder aus Afghanistan, Herat, von 2001. Man sieht Hungerflüchtlinge. Am rechten Bildrand, halb verschwunden, das Gesicht eines Mannes, der direkt in die Kamera schaut. Uns anschaut.
Im Hintergrund die Ruinen der Minarette aus dem 15. Jahrhundert. Als Herat unter der Timuriden-Dynastie als das Florenz Asiens galt und in seiner Blütezeit stand.