Mit seinem rot gefärbten Bart, seinem extravaganten Kleidungsstil und seiner abgedrehten Art muss er im beschaulichen Einsiedeln wie ein Fremdkörper gewirkt haben. Und trotzdem fühlte sich Lee Perry in der Provinz wohl. Sonst hätte er nicht mehrere Jahre dort gewohnt.
Sein Einsiedler «Blue Ark Studio» war seine Kreativstätte, in der er bis zu seinem Tod musikalisch, aber auch gestalterisch, gewirkt hat.
Mit Reggae die Welt erobern
Perrys Karriere beginnt in den 1960ern in Kingston, wo er als Musiker, Komponist und Talentsucher arbeitet. Er produziert erste Songs, unter anderem das Stück «Chicken Scratch», dem er seinen Spitznamen verdankt.
Sein musikalisches Markenzeichen ist, dass er den Reggae-Rhythmus etwas beschleunigt und mit diversen afrikanischen Elementen anreichert. Ausserdem spielt der Sound der Orgel eine wichtige Rolle – das Ganze bekommt den Namen «Roots Reggae».
Ihm verdankt Bob Marley seinen Erfolg
Perrys neuer Sound zieht viele Künstlerinnen und Künstler an. Unter anderem den jungen Bob Marley. Gemeinsam produzieren sie erste Alben und legen den Grundstein für Marleys weltweiten Erfolg.
Doch Perry, der mittlerweile ein eigenes Studio betreibt, ist eine kreative Wundertüte und forscht bereits an einem nächsten Sound, dem sogenannten «Dub Reggae».
Dabei benutzt er sein Studio-Mischpult wie ein Musikinstrument. Er setzt musikalische Sequenzen neu zusammen, reichert sie mit Effekten an und produziert collagenhafte, skurril-psychedelisch klingende Tracks.
Wie die Musik, so die Bilder
Collagenhaft, schrill und verstörend ist auch die Kunst, die Lee «Scratch» Perry schafft. Er verarbeitet scheinbar willkürlich gewählte Objekte wie Fotos, Abfall, Steine, Zeitungsartikel, Haushaltsgegenstände, Souvenirs oder Schmuck zu grossflächigen Bildern und Assemblagen.
Mit diesen schmückt er sein Studio und sein Zuhause. Ausserdem dreht er Videos, in denen er sich mit grasenden Kühen unterhält, oder einen seltsamen Tanz aufführt.
Wie Perry selbst, wirken auch seine Arbeiten schräg und oft nicht greifbar. Und darum kommen sie im Zürcher Cabaret Voltaire – dem Dada-Haus – hervorragend zur Geltung.
Lee «Scratch» Perrys Werke erinnern an den Afrofuturismus: Eine Bewegung, die auf die unterrepräsentierte oder stereotypisierte Darstellung von schwarzen Menschen reagiert – und zwar mit einer sehr radikalen Selbstermächtigung.
Was einem aber beim Betrachten von Lee «Scratch» Perrys Schaffen am stärksten ins Auge fällt, ist die intrinsische Motivation, mit der er gearbeitet hat.
Er kreierte völlig frei, ohne Erwartungen und ohne Schere im Kopf – seine Kunst ist purer Ausdruck. Und deshalb ist die Ausstellung im Cabaret Voltaire sehr berührend und inspirierend – auch wenn man nicht alles versteht.