Drei unscheinbare Bilder stehen am Anfang der Ausstellung «Über Folter spricht man nicht!» in der Photobastei Zürich. Fotos von Bodenbelägen: Kieselsteine, Holz, Stein.
«Die Fotos wirken harmlos», sagt Romano Zerbini, Direktor der Photobastei und Kurator der Ausstellung. «Aber es sind Bodenbeläge ehemaliger Folterstätten. Über diese Fotos nehmen wir die Perspektive jener Menschen ein, die gefoltert wurden».
Sie wussten nicht, an welchen Ort sie gebracht wurden. Nur durch einen kleinen Schlitz in der Augenbinde konnten sie den Boden erkennen und später so den Ort ihrer Folter identifizieren.
Politische Gegner gefoltert
Vor 50 Jahren putschte das Militär in Chile mit Unterstützung der US-Regierung gegen die demokratisch gewählte Regierung. Der sozialistische Präsident Salvador Allende beging Selbstmord, um der Gefangenschaft durch das Militär zu entgehen.
Die Militärjunta unter Diktator Augusto Pinochet errichtete eine Schreckensherrschaft und verfolgte ihre politischen Gegner und Gegnerinnen erbarmungslos. Folter war an der Tagesordnung.
Die Junta richtete über 1200 Gefängnisse und Folterstätten ein. Der deutsch-chilenische Fotograf José Giribás Marambio hat diese Orte dokumentiert. Ihm gelang es zu fliehen, wenige Monate nach der Machtübernahme Pinochets. Später kehrte er nach Chile zurück und fotografierte nicht nur Folterstätten, sondern auch Überlebende.
Das Banale im Bösen
Die Porträts sind schwarz-weiss, die Fotos der Folterstätten farbig. «Die Farbfotos wirken sehr normal. Es unterstreicht das Banale in diesem Bösen», so der Kurator. Es sind Orte des Grauens, denen man das Grauen nicht ansieht.
Zum Beispiel die «Venda Sexy», ein bürgerliches Privathaus. Hier wurden Menschen sexuell gefoltert, daher der Name. Rund 100 Personen waren hier inhaftiert, 32 gelten bis heute als vermisst.
Besonders berüchtigt war die Polizistin Ingrid Olderrock, Tochter deutscher Einwanderer mit nationalsozialistischem Hintergrund. «Sie richtete ihren Schäferhund darauf ab, zu vergewaltigen», so Zerbini.
Das ist harte Kost. Die Diskrepanz zwischen den unscheinbaren Orten und der grenzenlosen Brutalität lässt einen frieren.
Unvorstellbares Leid
Der Kälte widersetzen sich die Porträts der Überlebenden, politisch Gefangene, die an diesen Orten gefoltert wurden. Sie sind heute betagt, manche bereits verstorben. So wie Adriana, sie starb 2019, ohne Gerechtigkeit erfahren zu haben. Adriana wurde in der «Venda Sexy» gefoltert.
Neben dem Porträt ein Zitat von ihr: «Nie hätte ich mir vorstellen können, dass ein Mensch solche Demütigungen erleiden kann und nie hätte ich geglaubt, zu welchen Exzessen der Sadismus führen kann. Nie, weder vorher noch nachher, konnte ich auf tragische Weise meine eigene Zerbrechlichkeit, aber auch meine eigene Stärke ermessen. Im Angesicht der Folter habe ich die Kraft der inneren Würde erfahren (…).»
Die Männer und Frauen haben die Hände auf den Porträtaufnahmen häufig gefaltet. Ihr Blick manchmal müde, manchmal entschlossen, gar versöhnlich. Und immer irgendwie entrückt von dieser Welt und ihrem Grauen
Die Ausstellung zeigt nicht nur das Ausmass der Folter und die Widerstandskraft der Menschen, sondern auch den Kampf gegen das Verdrängen und für die Aufarbeitung der Gräueltaten.