Die Vermählung der Kunstwerke aus der Bührle-Stiftung mit dem Kunsthaus Zürich war als Traumhochzeit gedacht, nun entwickelt sie sich immer mehr zu einem Desaster.
Vorwürfe im Zusammenhang mit der Provenienzforschung an der umstrittenen Bührle-Sammlung und deren historische Aufarbeitung wurden zuletzt in einer Pressekonferenz im Dezember zurückgewiesen. Nun hat sich herausgestellt, dass der Kunsthaus-Direktor Christoph Becker dabei Halbwahrheiten von sich gab.
Was ist in der Kommunikation schiefgelaufen? Es seien viele Fehler gemacht worden, meint Kommunikationsexperte Franco Gullotti. Es sei Zeit, alle Themen auf den Tisch zu bringen.
SRF: Franco Gullotti, wenn man Sie als Krisenkommunikationsexperten um Hilfe angefragt hätte, was würden Sie den Verantwortlichen vom Kunsthaus in dieser schwierigen Situation raten?
Franco Gullotti: Ich würde raten, die menschlichen Reflexe zu überwinden. Wir kennen das alle: Wenn wir unter Druck sind, neigen wir dazu, zu schweigen, zu beschönigen, Schuldzuweisungen an andere zu richten.
Es braucht einen schrittweisen Wechsel von einer reaktiven zu einer aktiven Kommunikation.
Diese menschlichen Reflexe zu überwinden, ist zwar sehr schwierig, aber letztlich der einzige Weg aus dieser Situation. Man muss sich den Fragen stellen, man muss sie vielleicht sogar selbst stellen und beantworten. Man muss Vorwürfe entkräften können.
Sie helfen Unternehmen in einer Krise, mit der richtigen Kommunikation wieder auf Kurs zu kommen. Wie beurteilen Sie die Situation im Kunsthaus Zürich? Was ist da alles schiefgelaufen?
Ich glaube, man hat alles dazu beigetragen, dass es zu dieser Skandalisierung kommt. Man hat das eigentliche Thema unterschätzt. Man hat keine selbstkritische Einstellung zum Themenfeld gehabt. Mir fehlt auch die Empathie in der Kommunikation.
Stattdessen hat man gemauert, geschwiegen. Erst unter grossem Druck hat man dann eine Medienkonferenz abgehalten und auch dort versucht, zu beschönigen. Am Ende hat man Anschuldigungen einfach zurückgewiesen, anstatt sie zu entkräften.
Nun ist herausgekommen, dass Kunsthaus-Direktor Christoph Becker an der Pressekonferenz im Dezember auch Halbwahrheiten von sich gegeben hatte. Wie kann man die angekratzte Glaubwürdigkeit wiederherstellen?
Das ist nicht einfach. Am Beispiel dieser Medienkonferenz und den Aussagen zeigt sich auch die Verschiebung des thematischen Fokus. Lag er am Anfang eher auf der Sammlung an sich und ihrer belasteten Historie, richtet sich der Druck im Moment gegen den Direktor des Kunsthauses statt gegen die Bührle-Stiftung und die Kunstsammlung.
Nun stehen auch Rücktrittsforderungen im Raum. Was könnte ein Rücktritt in solch einer Krise bewirken?
Das ist immer vom Einzelfall abhängig. Es kann zweifelsohne ein Befreiungsschlag sein. Aber es kann auch sein, dass dann interpretiert wird, dass man das sinkende Schiff verlässt.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang immer, dass man alles versucht, um das Problem in den Griff zu bekommen. Das ist nicht über Nacht möglich. Es funktioniert nur mit einem schrittweisen Wechsel von einer reaktiven zu einer aktiven Kommunikation.
Eine allfällige Nachfolgerin wird sich mit den genau gleichen Themen befassen müssen.
Man muss selbstkritisch auftreten, transparent und wahrhaftig sein. Alle Themen müssen auf den Tisch. So lässt sich eine Krise Schritt für Schritt lösen. Wenn das nicht mehr möglich ist, wenn sprichwörtlich zu viel Geschirr zerschlagen wurde, dann werden Rücktritte oft unvermeidlich.
Diese können als Chance genutzt werden. Wobei auch hier gilt, dass man sich dem Thema nicht entziehen kann. Eine Nachfolgerin wird sich mit den genau gleichen Themen befassen müssen. Das dann aber anders, als es bis jetzt geschehen ist.
Das Gespräch führte Igor Basic.