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Doku über gestohlenen Banksy Als Diebe die Hintertür des Pariser Bataclans klauten

Brechstangen, Eifersucht und eine millionenschwere Tür: Ein neuer Dokumentarfilm erzählt die spektakuläre Geschichte eines gestohlenen Banksy-Kunstwerks.

Alles beginnt in der Nacht des 13. November 2015 in Paris: 90 Menschen werden bei einem islamistischen Anschlag auf den Konzertclub Bataclan getötet. Fast drei Jahre später erscheint an der Hintertür des Clubs ein Graffiti: ein Mädchen mit einem Schleier, das an eine Madonna erinnert.

Ein Banksy zum Gedenken

Da die Türe oft besprayt wird, will der Hauswart sie sofort neu streichen. Doch der damalige Direktor stoppt ihn: «Warten Sie, streichen Sie sie nicht! Das sieht nach etwas Ungewöhnlichem aus. Lassen Sie uns abwarten, bis wir herausfinden, was es ist.»

Eine Person fotografiert auf ihrem Handy eine schwarze Tür, auf die in Weiss eine traurige Madonna gesprayt ist.
Legende: Der Bataclan-Direktor beweist einen guten Riecher. Es ist ein echter Banksy, der die Hintertür des Konzertclubs ziert. IMAGO / ABACAPRESS

Ein paar Stunden später weiss ganz Paris, dass Banksy in der Stadt war und mehrere Bilder gesprayt hat - darunter das «Traurige Mädchen» auf die Hintertür des Bataclans. Banksys einfaches Schablonenbild der Madonna wird zum Sinnbild der Terrornacht.

Mit Brecheisen rausgerissen

Vier Jahre nach dem Anschlag wird die Banksy-Tür in einer Nacht-und-Nebel-Aktion gestohlen. Im Dokumentarfilm von Regisseur Edoardo Anselmi erzählt der ermittelnde Polizeibeamte, was die Bilder der Überwachungskamera zeigen: 4 Uhr morgens, ein Lieferwagen fährt vor. Drei Personen laden Brechstangen und Brecheisen aus. Und reissen damit die Bataclan-Tür raus.

Cremefarbene Wand, darin eine schwarze Tür. Auf die Tür gesprayt, in Weiss: ein trauriges Mädchen, madonnenähnlich.
Legende: Noch vor dem Diebstahl: Banksys «Trauriges Mädchen» gedenkt der Opfer des Bataclan-Anschlags. IMAGO / PanoramiC

Dank einer Zeugenaussage können die Namen von drei Personen ermittelt werden, die einen Diebstahl in einem Baumarkt begangen haben. Dabei seien genau jene Werkzeugtypen gestohlen worden, die auch beim Bataclan verwendet wurden. «Wir überprüften ihre Telefondaten und konnten feststellen, dass sie am Tag des Diebstahls tatsächlich nach Paris gefahren waren», berichtet der Polizeibeamte.

Knackpunkt Eifersucht

Doch wem wollen die Diebe das «Traurige Mädchen» verkaufen? Kunstwerke, die von der Strasse gestohlen werden, können nicht auf den offiziellen Markt gebracht werden. Die Ermittler befragen Nadia, die Freundin von Kevin, einem der drei Diebe. Und machen sich Nadias wunden Punkt zunutze: Eifersucht.

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«Als ich zum Diebstahl aussagen musste, fragten sie mich, ob Kevin an dem Tag bei mir war», erzählt Nadia. «Und dann sahen sie mich an und fragten: ‹Wissen Sie, dass Kevin eine Affäre hat?› Ich brach zusammen. Das hatte ich nicht erwartet.»

Der Millionär zögert

Nadia sagt aus und führt die Ermittler zu Mehdi Meftah, einem französischen Multimillionär, der gerade fünf Millionen Euro im Jackpot gewonnen hat. Ihm bieten die drei Diebe die Tür mit dem «Traurigen Mädchen» zum Kauf an. Doch Meftah reagiert ablehnend: «Ihr habt den einzigen Banksy gestohlen, den man nicht verkaufen kann! Den könnt ihr behalten. Der bringt nur Ärger!»

Vier italienische Polizisten, die in opulentem Innenraum die schwarze Tür mit dem weissen Mädchen enthüllen.
Legende: In der französischen Botschaft in Rom enthüllen Polizisten das ungewöhnliche Diebesgut. KEYSTONE / EPA ANSA

Allerdings willigt Meftah ein, die Tür so lange auf einem Grundstück in den italienischen Abruzzen zwischenzulagern, bis ein Käufer gefunden ist. Stattdessen aber findet die Polizei das «Traurige Mädchen», auf dem Estrich des italienischen Grundstücks. Zu diesem Zeitpunkt wird der Wert der Tür auf 800'000 bis zwei Millionen Euro geschätzt.

Wem gehört Street Art?

Doch wer ist der wahre Besitzer der Tür? An wen soll das «Traurige Mädchen» zurückgegeben werden? Soll man die Tür wieder ins Bataclan einbauen?

Banksy als Allgemeingut?

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Oberflächen gelten in unserem Rechtsverständnis als eine dritte Art von Raum, weder öffentlich noch privat. Man nennt sie «Commons», einen gemeinschaftlichen Raum, der nicht durch Eigentum, sondern durch Nutzung definiert ist. Eine solche Oberfläche ist Banksys «Trauriges Mädchen» auf der Bataclan-Tür.

Der Ausgang dieses Rechtsstreites ist noch in weiter Ferne. Bis es so weit ist, lagert das «Traurige Mädchen» in einem dunklen Depot der Justiz.

SRF 1, Sternstunde Kunst, 12.11.2023, 12:00 Uhr

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