Das Bild zeigt einen kleinen Jungen, der einen erwachsenen Judoka auf den Rücken wirft. Das Gesicht des Judokämpfers ist nicht zu erkennen. Aber für alle in der Ukraine ist klar: Es ist der russische Präsident Wladimir Putin.
«Wir alle verstehen die Symbolik von Banksy. Der kleine Junge ist die Ukraine. Und wir sind stärker als Russland», sagt «Nataliya Wyschinskaja, Leiterin Kulturdirektion der Stadt Borodjanka.
«David und Goliath», wie die Einheimischen das Werk nennen, dürfte das derzeit wichtigste Kunstwerk der Ukraine sein. So wichtig, dass es zum Jahrestag des russischen Einmarsches auf einer Briefmarke verewigt wurde. Das bisher teuerste Banksy-Werk wurde 2021 für über 20 Millionen Franken versteigert.
Kunsthändler sind sich sicher, dass «David und Goliath» an einer Auktion viele Millionen Franken erzielen würde. Aber dazu wird es nicht kommen. Denn das Werk befindet sich an einer Kriegsruine in einer fast völlig zerstörten Hochhaussiedlung.
Ein Vandale könnte das Meisterwerk jederzeit ruinieren. Ein Banksy-Werk in Gostomel wurde bereits von Dieben aus der Wand geschnitten. Die Täter wurden aber gefasst und das Werk beschlagnahmt.
Schützen oder einfach belassen?
In der Nachbarstadt Irpin ist die Entscheidung schon gefallen. Banksys Bild einer Turnerin wurde dort soeben aus der Kriegsruine gesägt, denn der Wohnblock ist durch russischen Beschuss so stark beschädigt, dass er abgebrochen werden muss.
Deshalb entschied die Stadtregierung, das Kunstwerk wegzubringen und später auf dem Platz in der Literaturstrasse gut geschützt aufzustellen. Bei anderen der sieben Banksy-Werke überlegen sich die Behörden, sie in ein Museum zu versetzen, um sie vor Vandalen und Dieben in Sicherheit zu bringen.
Bloss: Ist das richtig so? Eine Besucherin des Banksy-Werks in Borodjanka bringt das Dilemma der Verantwortlichen auf den Punkt: «Ich glaube, es ist besser, es hier zu belassen. Der Standort ist Teil der Botschaft von Banksy. Im Museum würde es nicht mehr dieselbe Botschaft tragen.»
Ungeschützt und frei zugänglich
In Gorenka, einem Vorort der Flughafenstadt Gostomel, glaubt die Stadtregierung einen Ausweg aus dem Dilemma gefunden zu haben. Dort hat Banksy einen Greis gesprayt, der dem Krieg trotzend, seelenruhig ein Bad nimmt.
«Wir wollen das Werk an diesem Gebäude belassen. Wir bauen eine Schutzvorrichtung mit kugelsicherem Glas. Das Gebäude wird renoviert und wird wieder bewohnt werden können», sagt Bürgermeister Oleksandr Markuschyn, gegenüber SRF. Die Anwohner sind froh, denn ausser dem Banksy-Werk gibt es nicht mehr viel Schönes im stark zerbombten Quartier.
Das von den sieben Banksy-Werken am meisten besuchte steht im Zentrum von Kiew, am Maidan. Es wurde auf drei Betonblöcke gesprayt. Die eiserne Panzersperre davor hat Banksy gleich in sein Werk integriert.
Sie dient als Schaukel für seine zwei gesprühten Kinder. Das Werk ist Tag und Nacht frei zugänglich. Trotzdem hat es noch niemand angetastet. Ob das Kunstwerk ungeschützt bleibt, ist noch offen. Der Entscheid wird nicht einfach.