Wer beeinflusst die Kunstwelt am meisten? Diese Frage versucht das britische Kunstmagazin «Art Review» einmal im Jahr mit ihrem renommierten Ranking «Power 100» zu beantworten.
Auf Platz 1 steht dieses Jahr nicht ein Künstler oder eine Galeristin, sondern ein digitales Zertifikat namens ERC-721. Diese NFT-Software ermöglicht den Handel mit digitaler Kunst. Sogar Facebook-Gründer Mark Zuckerberg schafft es auf die Liste. Da drängen sich Fragen auf.
Welche Bedeutung hat das Ergebnis des Rankings für die Kunstwelt? Dass eine Software den ersten Platz des «Power 100» belegt, zeigt, welchen Raum die Digitalisierung in der Kunstbranche eingenommen hat. Das Blockchain-Zertifikat ERC-721 hat den Handel mit digitaler Kunst, sogenannten NFTs, möglich gemacht und somit einen grossen Einfluss auf die Kunstszene.
Das ist ein klares Zeichen für einen Paradigmenwechsel auf dem Kunstmarkt.
Das Ranking spiegelt den technisch-künstlerischen und wirtschaftlichen Wandel in der Kunstszene wider. Der Handel mit NFTs läuft nicht über traditionelle Galerien. Das schwächt deren Position am Markt. Ein Beispiel: Im März 2021 wurde ein NFT des Grafikdesigners Beepl für 69 Millionen Dollar verkauft.
Der erste Galerist folgt erst auf dem 23. Platz. Wie ist das zu deuten? Auch das ist ein klares Zeichen für einen Paradigmenwechsel auf dem Kunstmarkt. Anzeichen dafür gab es schon vor Jahren. Viele Galeristen, Sammlerinnen, Museen und ältere Kunstschaffende klagen, dass der traditionelle Kunstmarkt und das Galeriegeschäft langsam ausstirbt.
Dieser Wandel geht vor allem an jungen Kunstschaffenden nicht vorbei. Sie interessieren sich immer weniger für den klassischen Vertrieb über Galerien, sondern forcieren den direkten Kontakt zum Publikum und zu potenziellen Käufern und Käuferinnen.
Der US-Amerikanische Konzeptkünstler Theaster Gates erreicht Platz. Wieso so weit oben? Der schwarze Künstler und «Documenta»-Teilnehmer wurde mit seinen politischen Arbeiten in den letzten Jahren weltweit bekannt. Er thematisiert Herrschaftsstrukturen und historische sowie politische Ereignisse in seiner Arbeit. Sowohl seine gesellschaftskritische Kunst als auch sein ethischer Hintergrund dürften für sein hohes Ranking ausschlaggebend gewesen sein.
Auf Platz 3 liegt die indonesische Gruppe Ruangrupa. Das Künstlerkollektiv steht für Vielfalt und spiegelt den Zeitgeist wider. Zudem übernehmen sie die künstlerische Leitung der kommenden «Documenta» in Kassel, eine weltweit bedeutende Reihe von Ausstellungen für zeitgenössische Kunst.
Andere Kunstrankings kommen zu anderen Ergebnissen. Wie aussagekräftig ist also die Liste von «Art Review»? Solche Rankings bilden in erster Linie den Zeitgeist ab. Zwischen den Ergebnissen der verschiedenen Rankings gibt es Überschneidungen und es lassen sich gewisse Trends und Kunstströmungen erkennen. So auch dieses Jahr: Das Thema Vielfalt kommt sowohl im Ranking von «Art Review» als auch in jenem des Magazins «Monopol» vor.
Der CEO von «Meta», ehemals Facebook, Marc Zuckerberg belegt Platz 100. Was hat Zuckerberg mit Kunst zu tun? Zuckerberg hat im Oktober die virtuelle Welt «Metaverse» vorgestellt. Das macht ihn zu einem Mitgestalter kreativer und digitaler Räume. Der Einfluss seines «Metaverse» auf die Kunstwelt ist zwar noch nicht erkennbar, jedoch wäre es nicht die erste Branche, die von seinem Unternehmen mitbestimmt wird.