Das Kunsthaus Zürich und die Stiftung Bührle haben ihre Zusammenarbeit neu geregelt. Was bedeuten die nachgebesserten Leihverträge für die beiden Parteien, namentlich mit Blick auf die Provenienzforschung? Kunstrechts-Experte Peter Mosimann über kuratorische Freiheit, ethisches Verhalten und Emil Bührle.
SRF: Das Kunsthaus Zürich und die Stiftung Bührle haben nach zehn Jahren einen neuen Leihvertrag ausgearbeitet. Wie umfangreich sind die Neuerungen?
Peter Mosimann: Der neue Vertrag ist grundsätzlich anders als der alte. Er atmet einen anderen Geist.
Konnte das Kunsthaus Zürich mit den neuen Verträgen seine Position gegenüber der Stiftung Bührle stärken?
Ja, das Kunsthaus Zürich hat seine Position gestärkt, namentlich im Bereich der Kunstfreiheit. Das sieht man an mehreren Bestimmungen.
Das Kunsthaus bestimmt auch den Weg und übernimmt Verantwortung im Bereich der Provenienz und insbesondere der Wahrnehmung nach aussen der Person von Herrn Bührle. Ich finde das richtig, angesichts des Code of Ethics for Museums ICOM .
Dieser Code schreibt vor, dass Museen keine Kunstwerke ausstellen oder in ihrem Besitz haben sollen, die aus Raubkunst stammen.
Das ist zutreffend. Der ICOM nimmt nicht nur Bezug auf eigene Bestände des Museums, also jene, die im Eigentum des Museums sind. Sondern auch auf jede einzelne Leihgabe und erst recht auf Dauerleihgaben.
Das Kunsthaus Zürich hat seine Position gestärkt.
Was passiert, wenn das Kunsthaus Zürich die Werke aus der Stiftung Bührle auf ihre Provenienz prüft und dabei auf dunkle Geschichten stösst?
Das Kunsthaus Zürich informiert die Stiftung, der dann das Recht zukommt, Konsequenzen zu ziehen und das Werk zunächst mal aus dem Ausstellungsraum zu entfernen.
Die eigentlichen Ansprüche von Familien, die im Zweiten Weltkrieg geschädigt wurden, werden dann durch die Stiftung behandelt. Und zwar nach Massgabe der Washington Principles in der Fassung mit allen Nacherklärungen.
Das Kunsthaus Zürich hat also erreicht, dass nicht mehr nur strikte nach Schweizer Recht beurteilt wird, sondern auch nach dem Soft Law.
Die neuen Leihverträge versprechen dem Kunsthaus Zürich auch mehr kuratorische Freiheit. Kann es jetzt machen, was es will?
Natürlich nicht. Der Vertrag unterscheidet zwischen dem Raum, wo die Sammlungsbestände gesamtheitlich ausgestellt sind. Dort verfügt das Kunsthaus Zürich über das Kuratierungsrecht, in Absprache mit der Stiftung.
Aber das Kunsthaus Zürich hat auch erreicht, dass die Bestände der Stiftung in Sonderausstellungen verwendet werden können – entweder zusammen mit den Sammlungsbeständen des Kunsthaus Zürich oder von Dritten. Hier verfügt das Kunsthaus Zürich über eine grosse Freiheit in der Kuratierung.
Gleichzeitig steht aber in dem Leihvertrag: Wenn ein Kunstwerk aus der Stiftung in anderen Räumen gezeigt wird, habe das in Rücksprache mit der Stiftung zu geschehen.
Eine solche Bestimmung findet sich in jedem Dauerleihvertrag. Man will damit vermeiden, dass die Werke in einem falschen Kontext gezeigt werden. Ich halte diese Bestimmung für Standard.
In dem neuen Vertrag wird auch die Übergabe des Archivs der Stiftung an das Kunsthaus Zürich erwähnt. Was wird da neu geregelt?
Der Vertrag sieht vor, dass das Archiv dem Kunsthaus Zürich vollständig übergeben wird. Für Einzelheiten wird allerdings auf einen Archiv-Vertrag vom 15. August 2021 verwiesen. Dieser Vertrag ist nicht offen gelegt worden.
Das Gespräch führte Alice Henkes.