New York Times: Wie sauber verlief die Provenienzforschung?
Dass die Bührle-Sammlung im neu eröffneten Kunsthaus Zürich in den Medien hohe Wellen schlagen würde, war absehbar. Dass es diese Wellen bis nach Übersee schaffen, nicht unbedingt.
Doch der «New York Times» war die Ausstellung einen Beitrag wert. In einem Hintergrundartikel widmet sie sich vor allem den biografischen Hintergründen von Emil Georg Bührle, dem einst reichsten Mann der Schweiz.
Das «dunkle Erbe» des Waffenhändlers würde die Eröffnung des Zürcher Millionen-Projekts überschatten, so die New York Times. Dunkles Erbe will heissen: Bührle wurde unter anderem reich mit Waffenverkäufen an Nazi-Deutschland, profitierte von Zwangsarbeit junger Frauen in einer Spinnerei, kaufte NS-Raubkunst.
Am brisantesten wird es, wenn die «New York Times» Erich Keller zitiert. Der Historiker kritisiert in seinem Buch «Das kontaminierte Museum», dass die Provenienz der Bührle-Bilder nicht auf unabhängiger Basis erforscht worden sei.
Das Kunsthaus hätte die Gemälde niemals annehmen dürfen. «Es handelt sich um eine Sammlung, die mit Geld aus Waffenverkäufen, Sklavenarbeit und Kinderarbeit aufgebaut wurde», wird Keller zitiert.
Frankfurter Allgemeine: Wie soll man die Bilder ohne den Kontext betrachten?
Noch viel kritischere Zeilen sind in den Blättern aus Deutschland zu lesen. Für die Frankfurter Allgemeine etwa steht fest, dass sich das Kunsthaus Zürich vielen «unangenehmen Fragen» im Zusammenhang mit Emil Bührle stellen müsse – dies aber nicht getan habe.
Der «unbändige Wunsch nach Weltgrösse» sei riskant, wie die FAZ schreibt. Die «einverleibten Privatsammlungen» könnten theoretisch jederzeit wieder abgezogen werden.
Kunstressort-Coleiter der FaZ Niklas Maak fragt ausserdem, ob man sich die Werke anschauen könne, ohne an die jüdischen Sammlerinnen und Sammler zu denken, «die sie nicht mehr sehen konnten, weil sie überstürzt ihre Häuser verlassen mussten?».
Süddeutsche Zeitung: Wo bleibt die Transparenz?
Der Zürcher «Neubau mit Altlast» beherberge eine spektakuläre Sammlung, welche «jeden an Kunst halbwegs interessierten Menschen in die Knie gehen» lasse, räumt die Süddeutsche Zeitung ein. Allerdings: Die angekündigte «grosse Ausführlichkeit und Klarheit», welche der Kunsthaus-Direktor Christoph Becker im Gespräch über die Sammlung Bührle in der Dokumentation versprochen habe, könne man «mit gutem Willen nicht finden».
Ja, es gäbe einen Dokumentationsraum mit richtigen und wichtigen Fakten zur Person Emil Bührle. Aber es fehle eine Einordnung und «die maximal entschlackte Darstellung der Biografie und Sammlungsgeschichte von Emil Bührle» sei fragwürdig, so die SZ.
Nebst fehlender Transparenz stösst der SZ sauer auf, dass die Bührle-Sammlung «als Mittel zum Stadtmarketing» benutzt und somit «reingewaschen» wird.
Und sonst?
Le Monde, The Guardian, Corriere della Sera, der Standard – sie alle schreiben gar nichts über die neue Ausstellung. Nur El País erwähnt sie kurz, um darauf ganz allgemein von der Kulturstadt Zürich zu schwärmen. So ganz mit der internationalen Strahlkraft hat es also doch nicht geklappt – weder zum Guten noch zum Schlechten.