Binia Bill war ein Multitalent: Als junge Frau absolvierte sie zunächst eine Ausbildung zur Konzertcellistin und machte dann eine Kehrtwende. Sie besuchte in Berlin eine Fotoklasse und begann ab den 1930er-Jahren in Zürich als Fotografin zu arbeiten.
Ein Selbstporträt aus der Zeit zeigt ihr Gesicht ganz nah, mit geschlossenen Augen. Dass ihre Augen zu sind, ist kein Malheur, sondern eine bewusste Setzung.
Die Originalität von Binia Bills Bildern ist kein Zufall. Wie in einer Sehschule wurden in der Stilrichtung «Neues Sehen» neue Perspektiven erkundet.
Eigenwillige Porträts
Binia Bill ist eine der wenigen Frauen, welche den Stil in der Schweiz vertraten, erklärt Kuratorin Teresa Gruber von der Fotostiftung Schweiz: «Sie erforschte neue Sichtweisen, experimentierte mit Ausschnitten, Spiegeln, Strukturen, Licht und Schatten.»
Die Ausstellung in der Fotostiftung Schweiz in Winterthur zeigt einen Querschnitt durch das Werk von Binia Bill. Das beginnt in den frühen 1930er-Jahren. Da hatte die junge Binia Spoerri in Zürich eben den Architekten und Künstler Max Bill kennen- und lieben gelernt.
Unbändiger Gestaltungswille
Das junge Paar machte gemeinsam Werbung für die Möbelfirma «Wohnbedarf» oder für avantgardistische Architektur wie das «Zett-Haus» in Zürich. Später dokumentierte Binia Bill die Kunstwerke und Häuser ihres Mannes oder stellt ihre Stillleben in Ausstellungen aus.
Wie die Hipster von heute waren auch Binia und Max Bill überzeugt, dass gute Gestaltung das Leben prägt: von der Architektur über die Möbel bis hin zum Look. Dieses Bekenntnis strahlt auch ein Doppelporträt der beiden aus: zwei Verliebte, mit raspelkurzem Haar und viel Selbstbewusstsein.
Binia Bills Porträt von sich und ihrem Mann legt den Fokus auf die Gemeinsamkeiten von zwei Verliebten, obwohl sich später durchaus Unterschiede ergaben, sagt Kuratorin Teresa Gruber: «Im Verlauf der Lebensgeschichte wurde Max Bill sehr erfolgreich, Binia Bill hingegen hat 1942 aufgehört zu fotografieren.»
Rätselhaftes Ende
Warum Binia Bill ihre Karriere als Fotografin beendete, bleibt unklar. Sie vollzog eine weitere Kehrtwende. Über die Gründe hat sie sich ausgeschwiegen. Ihr Sohn und ihre Schwiegertochter widersetzten sich ihrem letzten Willen und schenkten den fotografischen Nachlass der Fotostiftung Schweiz.
So wird Binia Bill nach einer allerersten Ausstellung vor zwanzig Jahren im Aargauer Kunsthaus jetzt auch in Winterthur als Ausnahmeerscheinung der Schweizer Fotografie erinnert. Neben den originellen Perspektiven und der hochaktuellen Sensibilität ihrer Bilder zeigt die Schau auch eine moderne Schweiz, die ein Versprechen blieb.
Binia und Max Bill verkehrten in der Avantgarde, die sich vor dem Zweiten Weltkrieg in Zürich traf: Architektinnen, Künstler, Tänzerinnen und Musiker. Binia Bill porträtierte die pulsierende Moderne, der in der Schweiz mit dem Ausbruch des Krieges die Puste ausging. Wie es damals war – und wie es hätte sein können, das lassen Binia Bills Bilder der Epoche erahnen.