Alles nahm seinen Anfang im Jahr 1919, kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs. Damals wurde Johannes Itten von Walter Gropius, Gründer und Leiter der Bauhaus-Schule, nach Weimar berufen.
Handwerk und Kunst vereint
Das Konzept der Schule war revolutionär. Die Suche nach neuen Lebenskonzepten stand im Mittelpunkt, ebenso die Offenheit, künstlerisch Neues auszuprobieren. Den Rahmen bildete das Bauhaus-Manifest von Gropius.
Ein zentraler Punkt darin war der Aufbau einer neuen, besseren Welt mit einer neuen künstlerischen Gestaltung. Handwerk und Kunst sollten vereint und der Unterricht praxisorientiert geführt werden.
Farbenlehre, Menschenbildung
Itten besuchte nach dem Lehrerseminar in Bern die Kunsthochschule in Genf. Mit seinem Wissen in Kunst und Pädagogik wurde er bald zu einer zentralen Figur des Bauhauses. Er leitete den Grossteil der Werkstätten und etablierte den sogenannten Vorkurs, eine Basisausbildung, die jeder Student durchlaufen musste. Zuerst Menschenbildung, dann Ausbildung lautete das Credo.
Seine Lehre über die Farbkontraste sowie den 12-teiligen Farbkreis entwickelte Itten für praktische Zwecke. Die Studenten sollten das Wirken und Zusammenspiel der Farben besser verstehen können.
Östliche Spiritualität statt Technik-Euphorie
Der Entwicklung einer wissenschaftlich-technischen Zivilisation stand Itten kritisch gegenüber. Den Ausweg sah er in der Verbindung westlichen Denkens mit östlichen religiösen Praktiken. Dies führte zu Spannungen innerhalb der Bauhaus-Schule.
Gründer Gropius wollte die Einheit von Kunst und Technik. Itten hingegen war der Ansicht, man solle «im vollkommenen Gegensatz zur wirtschaftlichen Aussenwelt individuelle Einzelarbeit leisten.» Schlussendlich setzte sich Gropius mit seinem Ansatz durch und Itten verliess die Schule im Jahr 1923.
Erst nach dem Krieg gefeiert
Daraufhin zog Itten nach Berlin. Er gründete eine eigene Kunstschule, die Itten-Schule. Ausserdem leitete er eine Kunstschule in Krefeld.
1938, während der Zeit des Nationalsozialismus, wurde er dort entlassen. Seine Werke wurden in der Propagandaausstellung «Entartete Kunst» als Negativbeispiele gezeigt.
Itten hatte alles verloren. Er emigrierte nach Holland und zog 1938 nach Zürich. Dort wurde er Direktor der Kunstgewerbeschule.
In seinen letzten Lebensjahren erlebte Itten seine grössten künstlerischen Erfolge: So vertrat er 1966 die Schweiz an der Biennale in Venedig. Nur ein Jahr später starb er im Alter von 78 Jahren.
Als Pionier und Erneuerer der Kunstpädagogik hat Itten die Entwicklung der Kunst und die Lehre an Kunstschulen weltweit und entscheidend geprägt. Zugleich bleibt er aber in der öffentlichen Wahrnehmung bis heute einer der grossen Unbekannten seiner Zeit.