50. Todestag von Tolkien - Ohne Tolkien gäbe es Fantasy-Welten nur in unserer Fantasie
Vor 50 Jahren starb der Autor von «Herr der Ringe» und «Der Hobbit». Die Charaktere, Landschaften und Motive aus Mittelerede – so heisst J. R. R. Tolkiens Welt – prägen das Fantasy-Genre bis heute.
«Wer sich mit Fantasy beschäftigt, kommt an Tolkien nicht vorbei», sagt Thomas Honegger, Anglistik-Professor in Jena und Tolkien-Forscher: «Es gab Fantasy vor Tolkien, und es gibt Fantasy nach ihm. Dennoch scheint er ein Markstein zu sein, an dem sich alle orientieren.»
Thomas Honegger
Tolkien-Forscher
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Thomas Honegger ist Professor für Literatur und Sprache des englischen Mittelalters an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena.
Honegger stammt aus der Schweiz. Er forscht seit über 20 Jahren zum Werk von J.R.R. Tolkien.
Zuletzt ist sein Buch «Tweaking Things a Little: Essays on the Epic Fantasy of JRR Tolkien and GRR Martin» zur Fantasy von Tolkien und George R.R. Martin, Autor hinter der Erfolgsserie «Game of Thrones», erschienen.
Tolkiens Einfluss zeigt sich zum einen an der Präsenz, die er in den letzten Jahren in der Popkultur hatte: die äusserst erfolgreichen Verfilmungen seiner Werke nach der Jahrtausendwende, diverse Computer-Games und zuletzt die TV-Serie «Rings of Power».
Zum anderen hat Tolkien fast überall im Fantasy-Genre Spuren hinterlassen: Die Einteilung in «Rassen» wie Elben, Halb-Elben oder Kategorien wie Zauberer und Krieger finden sich heute oftmals wieder in Fantasy-Werken. Ebenso die prätechnologische Welt als Handlungsort.
Auf Tolkiens Bücher geht auch das heute verbreitete und im Erfolgsspiel «Dungeons und Dragons» aufgenommene Bild von Elfen zurück: Waren sie zu Zeiten Tolkiens kleine Blumenwesen in Kinderzimmern, kehrte er in Mittelerde zurück zur mittelalterlichen Vorstellung von Elfen als menschengrosse Wesen, die nicht immer harmlos sind.
Der Erfolgsautor John Ronald Reuel Tolkien
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J. R. R. Tolkien wurde 1892 geboren und starb am 2. September 1973 im Alter von 81 Jahren. Er zählt heute zu den bekanntesten Autoren weltweit.
Tolkiens Bücher wurden in mehr als 80 Sprachen übersetzt und haben sich weltweit millionenfach verkauft.
Seine bekanntesten Werke sind «Der Herr der Ringe» (3 Bände, im Original erschienen 1954 bis 1955) und «Der Hobbit» erschienen 1937). Daneben wurden mittlerweile über 50 mehr oder weniger fertig gestellte Texte veröffentlicht.
Ein Grossteil von Tolkiens Werk spielt in Mittelerde, einer Fantasiewelt, die er schon als Jugendlicher zu gestalten anfing. Im Lauf seines Lebens hat er bis in kleinste Detail Ortschaften, Charaktere, Geschichten und sogar Sprachen eingebaut.
Tolkien war Professor für englische Sprache und Literatur in Oxford.
Zwischen 2001 und 2002 erschienen die drei Teile von «Der Herr der Ringe» als Filmtrilogie, was Tolkiens Werk noch einmal neue Bekanntheit verlieh. Die Filme spielten weltweit fast 3 Milliarden US-Dollar ein.
Zwischen 2012 und 2014 folgte «Der Hobbit» als Filmtrilogie. Die drei Filme spielten zusammen erneut fast 3 Milliarden US-Dollar ein.
(K)eine Geschichte für alle
Für Experte Thomas Honegger gründet Tolkiens Erfolg auch auf der Offenheit der Texte: «Die Geschichte in ‹Der Herr der Ringe› ist keine Allegorie. Es gibt keinen Schlüssel zu dem, was gemeint ist.» Deshalb lasse sich das Werk fast beliebig auf immer neue Situationen anwenden und neu entdecken.
Illustrieren lässt sich das damit, welche Strömungen sich gerne auf Tolkien berufen. Über England hinaus verbreitet wurden seine Werke erst in den 1960er-Jahren – mit den Hippies: «Da gab es plötzlich eine gesellschaftliche Bewegung, die sich mit Hobbits identifizierte, die ‹Herr der Ringe› als Anti-Establishment-Text interpretiert hat», sagt Honegger.
Später haben aber auch rechtspopulistische Bewegungen Tolkiens Werk für sich adaptiert. Italiens aktuelle Ministerpräsidentin Giorgia Meloni ist ein Beispiel hierfür.
Tolkiens Welt: Rassistisch und sexistisch?
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Die Instrumentalisierung durch rechte Parteien befeuert einen Vorwurf, dem das Fantasy-Genre und auch Tolkien immer wieder ausgesetzt ist: Es sei männerlastig und rassistisch. Tolkien-Kenner Honegger sagt: «Tolkien hat in seiner Zeit geschrieben. Als Oxford-Professor lebte er in einer männlich geprägten Welt mit wenig anderen Ethnien.» Das spiegle sich in den Texten.
Dennoch liest Honegger bei Tolkien keine bewusste Diskriminierung: «Da sind zum Beispiel die neun Ringgefährten. Ein zusammengewürfelter Haufen, der aus heroischen Gestalten, aber auch noch aus vier ‹Kindern› besteht. Tolkien setzt dem uniformen Reich von Sauron also Diversität entgegen.»
Tolkiens Alleinstellungsmerkmal
Dass Tolkiens Texte so vielfältig anwendbar sind, ist ein Grund für seinen grossen Einfluss bis heute. Honegger sieht aber noch einen anderen: Tolkien hat ein umfassendes, bis ins kleinste Detail erarbeitetes Universum erschaffen.
Vor Erscheinen des «Hobbit» hatte Tolkien bereits über Jahrzehnte an Mittelerde gearbeitet. «Die Bücher waren fast ein Nebenprodukt seiner Weltschöpfung», sagt Thomas Honegger. So ist ein ganzes Universum mit eigenen Sprachen, ausgeklügelten Zeitfolgen und aufeinander verweisenden Ereignissen entstanden.
Dieser Detailgrad unterscheidet Tolkiens Werk von vielen anderen im Fantasy-Genre. Das ist laut Honegger auch seinen damaligen Umständen geschuldet: «Tolkien war Oxford-Professor und musste nicht davon leben. Heute ist der Publikationsdruck viel grösser.» Dementsprechend ist es den Autorinnen und Autoren heutzutage oft gar nicht möglich, so umfassende Welten zu erschaffen.
Seine Stellung als Gigant im Fantasy-Genre dürfte Tolkien also auch in Zukunft sicher sein.
Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 02.09.2023, 07:05 uhr
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