Als der Verleger Peter Suhrkamp vor genau 70 Jahren, am 1. Juli 1950, seinen eigenen Verlag Suhrkamp gründete, schaffte er das nur dank Schweizer Hilfe.
Der Literaturnobelpreisträger Hermann Hesse war damals längst im Tessin beheimatet. Er öffnete Suhrkamp die Tür zum Winterthurer Unternehmer Georg Reinhart. So kam es, dass der Verlag, der wie kein anderer die deutsche Nachkriegskultur mitbestimmte, zur Hälfte in Schweizer Hand war.
Suhrkamps Schweizer Stimmen
Zum Geld kam der Schweizer Geist dazu: Max Frisch gehörte von Beginn an zum Verlagsprogramm. Er, Hesse und Bertolt Brecht waren lange die drei einträglichsten «Milchkühe» des Hauses.
Peter Suhrkamp und sein Nachfolger Siegfried Unseld brachten dafür die Schweizer Literatur gross heraus. Der Verlag wurde die Heimat für viele ganz unterschiedliche Stimmen: von Paul Nizon bis Gertrud Leutenegger, von Peter Bichsel bis Erika Pedretti, von Jürg Federspiel bis Adolf Muschg.
Missglückter Start in Zürich
1974 versuchte es Unseld zudem mit einer eigenständigen Schweizer Dependance des Suhrkamp Verlags. Das ging allerdings gründlich schief. Man wollte Suhrkamp Zürich mit einem Quellenband zur Geschichte der Schweizer Arbeiterbewegung starten.
Gegen diese angebliche «Extremistenliteratur» intrigierten rechtsbürgerliche Professoren. Auch die Reinharts als Suhrkamp-Mitbesitzer irritierte die zunehmend linke Ausrichtung des Verlags.
So lehnte Unseld das strittige Manuskript zur Arbeiterbewegung unbesehen ab. Zwar liebte er die Schweiz, wollte sich in ihr aber nicht politisch exponieren. Wie er gegenüber Max Frisch später zugab, hatte die Gründung von Suhrkamp Zürich vor allem steuertechnische Gründe.
Die Glaubwürdigkeit des Verlags und des Verlegers standen plötzlich auf dem Spiel. Unseld musste sein ganzes Verhandlungstalent aufbieten, um seine Autoren zu besänftigen.
Kaum noch Schweizer Entdeckungen
Nach Siegfried Unselds Tod im Jahr 2002 verloren die Reinharts das Interesse an Suhrkamp. Sie stiessen ihre Anteile etappenweise ab. Und der Verlag, der sich neu aufstellen musste, verlor seinerseits das Interesse an der Schweiz.
Die abgekühlte Liebe ist vor allem auf das ausgewechselte Lektorat zurückzuführen. Es richtete sich eher auf Schreibtalente aus Deutschland und Österreich ein.
Peter Weber und Gion Mathias Cavelty in den Neunzigerjahren sowie Michel Mettler um 2006 sind die letzten Schweizer Entdeckungen des Verlags.
Hoffen auf künftige Kooperation
Wie wenig man noch für die Schweiz brennt, zeigt der seit 2008 verliehene Schweizer Buchpreis: Unter den Gewinnern ist kein einziges Buch aus dem Suhrkamp Verlag.
Einen Hoffnungsschimmer gibt es immerhin: Soeben ist ein Band mit dem Titel «Dunkelkammern» erschienen, in dem siebzehn Autorinnen und Autoren der Schweiz vom Entstehen und Verschwinden erzählen. Vielleicht entsteht gerade eine neue Kooperation des Suhrkamp Verlags mit der zuletzt ziemlich verschwundenen Schweizer Literatur.