Plattenbau, Beton: Das bedeutet grau, das bedeutet trist. Und die wenigsten, die dort leben, tun das freiwillig. Genau deswegen hat Sara Gmuer die Platte zum Schauplatz ihres neuen Buchs gemacht.
Es spielt im Berliner Stadtteil Lichtenberg. Dort lebt Sara Gmuer seit einigen Jahren – zwar nicht in einem Plattenbau, aber sie geht oft durch die Hochhaussiedlungen spazieren. Dabei hat sie viel von der Atmosphäre aufgesogen, die sie im Roman beschreibt: vom Frust, der Langeweile, der Wut.
«Achtzehnter Stock» handelt von einer alleinerziehenden Mutter, die sich nichts sehnlicher wünscht, als dem Leben an der Armutsgrenze zu entkommen.
«Achtzehnter Stock» hat Drive
Der Roman ist in einem so unterhaltsamen wie schroffen Ton erzählt. Und die Handlung ist rasant wie eine Netflix-Serie. Es geht auf und ab. Langweilig wird es beim Lesen nie.
«Achtzehnter Stock» ist Sara Gmuers zweiter Roman. Ihr Debüt hiess «Karizma» und ist bereits vor zwölf Jahren erschienen.
Warum es so lange gedauert hat bis zum Zweitling? «Nach dem ersten Roman hatte ich mich leergeschrieben», sagt Gmuer im Gespräch mit SRF. «Ich musste erst wieder Neues erleben, Erfahrungen sammeln, den Tank auffüllen sozusagen.»
Von Bré bis nach Berlin
An Erfahrungen mangelt es der 44-Jährigen mitnichten. Aufgewachsen in dem kleinen Dorf Bré auf dem Monte Bré, zog sie mit elf mit ihrer Mutter und ihrem Bruder nach Luzern.
«In Luzern», erzählt Gmuer lachend, «hatte ich meine rebellische Phase». Als Punk war sie unterwegs und besetzte Häuser. Sie wisse noch, wie sie damals ein Mädchen anhimmelte, das immer dreckige Hände hatte. «An Öfen habe ich mir dann die Hände schmutzig gerieben, um genauso auszusehen wie sie.»
Erst Punk, dann Model
Später verdiente Gmuer ihr Geld als Model. Schmutzige Hände waren da nicht so gefragt, dafür Gmuers stattliche Grösse von 1 Meter 82. Zudem hat sie die Filmschauspielschule in Zürich besucht und beispielsweise in der ProSieben-Serie «Freunde – Das Leben beginnt» mitgespielt. Auch in einem Musikvideo der deutschen Punk-Band «Die Ärzte» hatte sie einen Auftritt.
Der Punk, die Schauspielerei, das Modeln: In einem Musikclip im Jahr 2012 kamen einige ihrer Lebensstationen zusammen. Auch als Rapperin war Gmuer lange unterwegs. Und nun also: das Schreiben als Fokus.
Ob sie sich als «vielseitig» beschreiben würde oder als jemanden, der sich einfach nicht festlegen kann? «Vielseitig, natürlich», sagt Gmuer. Zudem lasse sich, was sie bisher gemacht habe, gar nicht voneinander trennen. Alles sei ineinander übergegangen. Vom Ton ihrer Rap-Texte etwa sei auch viel in ihre Romane geflossen.
Fasziniert vom Grossstadtleben
Mit dem Schreiben, glaubt sie, jetzt aber doch ihre Berufung gefunden zu haben. Sie habe Lust weiterzumachen. «Für den nächsten Roman werde ich bestimmt nicht wieder zwölf Jahre brauchen.»
Inspiration dafür wird sie vielleicht auch wieder aus den Streifzügen durch ihre Wahlheimat schöpfen. Sie liebe Berlin. «Man muss nur vor die Tür treten, und schon kann man die krassesten Sachen erleben und die inspirierendsten Leute kennenlernen», so Gmuer.
Die Schweiz fehle ihr aber auch. «Die gute Luft vor allem und die Berge. Und das Schweizerdeutsch. Und meine Eltern, die vermisse ich natürlich auch.»