Die Anlage wirkt auf den ersten Blick düster: Jakob, ein gescheiterter Filmemacher, hat sich ermattet in seiner Berliner Wohnung verkrochen. «Ich weiss einfach nicht, was man macht, wie es weitergeht, wenn das Wichtigste im Leben nicht mehr das Wichtigste ist», sagt er.
Jakobs beste Freundin Ellen akzeptiert solche Endzeitstimmung nicht. Dass Jakob seinen 50. Geburtstag nicht feiern will? Egal! Zeitig am Morgen taucht sie mit Champagner, Kerzen, Kuchen und einer ungeschickt eingepackten schwarzen Badehose auf. Dann geht es los – ins Schwimmbad.
Slapstick statt Schwermut
Heimlich hat Ellen Begegnungen mit Menschen organisiert, die für Jakob einmal wichtig waren: Von der ersten grossen Liebe über die Sozialarbeiterin, die ihn für den Film entflammte, den einstigen WG-Genossen und Mitstudenten bis hin zur Kindergartenfreundin. Also stolpert Jakob ahnungslos von Treffen zu Treffen, allerlei Missgeschicke inbegriffen. Es ist ein veritabler Slapstick. Doch irgendwie geht es Jakob stetig besser.
Lucy Fricke kann wunderbar Dialoge schreiben und hat ein Händchen dafür, Schwieriges urkomisch anzugehen. Das Tolle am Humor sei, sagt sie, dass man ehrlich und unverblümt sein könne, ohne grossen Schaden anzurichten. Ihre Bücher sind denn auch zugewandt, aber lieblich sind sie nicht. Sie haben Ecken und Kanten, wie auch das Leben, das sie beschreiben.
«Erfolgsdruck ist so viel angenehmer»
Mit dem Roman «Töchter» (2018) schrieb Lucy Fricke zu ihrer eigenen Überraschung ihren ersten Bestseller. Die Geschichte zweier Freundinnen, die den Vater der einen zum Sterben in die Schweiz fahren sollen und nie dort ankommen, traf einen Nerv – gerade, weil so viel schwarzer Humor im Spiel war.
Auch in ihrem zweiten Bestseller «Die Diplomatin» (2022) kam Lucy Frickes leicht anarchischer Witz zum Tragen, diesmal bezogen auf ein aussergewöhnliches Berufsleben.
Und nun feiert «Das Fest» Erfolge. Sie gewöhne sich langsam daran, sagt Lucy Fricke. Sie fühle sich auch nicht unter Druck gesetzt, gleich den nächsten Bestseller zu landen. Vielmehr geniesse sie es, ohne Nebenjobs schreiben zu können: «Erfolgsdruck ist so viel angenehmer als dieser Druck der Existenzangst.»
Grosse Liebesgeschichte
«Das Fest» ist ein schmaler Roman, aber er spiegelt weit mehr als die Krise eines Mannes, der glaubt, mit 50 sei das Leben gelaufen. Es ist ein welthaltiges Buch, das dafür plädiert, sich mit sich selbst und dem Dasein zu versöhnen. Wozu gehört, sich einzulassen, sich an die Welt zu verschwenden und dankbar zu sein. Letzteres gerade auch mit Blick auf Verhältnisse, die so viel weniger privilegiert sind als die unseren.
Hinter Lucy Frickes Spass, «jemanden so quasi aus der Krise zu schreiben», steckt aber auch eine grosse Liebesgeschichte: Ellen, die beste Freundin in «Das Fest», ist schon seit Jahren heimlich verliebt in Jakob. Sie möchte mit ihm alt werden – aber natürlich nicht mit einem Jammerlappen. Die Begegnungen, die sie an seinem Geburtstag für ihn organisiert, sind ihr letzter Versuch, «ihn an den Schultern zu packen». Es scheint zu klappen.