Als «Kampfansage an die Rechten» hatte der Schriftsteller Feridun Zaimoglu seine Eröffnungsrede der 42. Tage der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt angekündigt. Und so schenkt er den Verlassenen dieser Welt das Wort: den Armen, den Frauen, den Fremden.
«Wir stehen bei den Verlassenen»
Seine Rede ist ein Plädoyer für Menschlichkeit: «Wir sind aus der Schrift geboren. Wir schreiben unsere kühnen, kühlen und wilden Geschichten. Ich finde festen Halt im Recht, dem Ausdruck des Gewissens. Daran glaube ich, davon rücke ich nicht ab.» Zugleich kritisierte er scharf die «irregeleiteten Patrioten und Rechten unserer europäischen Gesellschaften».
Seine Rede endete mit dem Bekenntnis zu den Bachmann-Tagen: «Klagenfurt ist ein Ort der vielen Geschichten. Es ist ein Ort der Beseelung. Wir schreiben, wir lesen, wir kämpfen. Wir stehen bei den Verlassenen.»
Ratlose Jury
Etwas verlassen und bekämpft muss sich heute auch die Schweizer Autorin Anna Stern gefühlt haben. Ihr Text «Warten auf Ava» hatte manches Jury-Mitglied etwas ratlos gemacht.
Für den Jury-Vorsitzenden Hubert Winkels sei der Text mehr Rätsel als Mysterium. Klaus Kastberger wusste nicht, warum ihn das Setting einer jungen Frau, die im Koma liegt, interessieren solle und fand das ganze Arrangement «an den Haaren herbeigezogen».
Auch Nora Gomringer, die in diesem Jahr neu in der Jury sitzt, blieb vieles in Anna Sterns Text ein Mysterium. Die zweite neue Jurorin Insa Wilke war dem Text beim stillen Lesen im Vorfeld des Wettbewerbs nicht auf die Spur gekommen, habe dann aber während der Lesung entdeckt: Es geht um sechs Arten, mit Trauer umzugehen.
Bester erster Satz
Noch eine zweite Schweizerin ging am Donnerstag ins Rennen: Martina Clavadetscher erzählt mit ihrem Text «Schnittmuster» die Geschichte einer alten Frau, die nie gelernt hat, über das zu reden, was ihr im Leben an Gewalt und Knechtung widerfahren ist.
Nun, nach ihrem Tod, als niemand mehr sie hören kann, bricht sie ihr Schweigen. Für Klaus Kastberger ist eines klar: Dieser Text bekommt die Auszeichnung für den «besten ersten Satz» des Wettbewerbs: «Das letzte Schnappen macht den Unterschied.»
Erster Favorit
Ein Favorit des heutigen Tages ist sicher Stefan Lohse mit seinem Text «Lumumbaland».
Es ist ein sehr gewitzter, aber komplexer Text über die Suche junger Menschen nach Identität und «das Ende der Unschuldsillusion einer weissen Mehrheitsgesellschaft», so Jurorin Insa Wilke.
Gekiffe und Angela Merkel
Was sonst noch geschah? In zwei Texten wurde gekifft, und Nora Gomringer zog alle Aufmerksamkeit auf sich, als sie morgens das Studio betrat mit einem weissen T-Shirt, auf dem fett «Hallo Mama» zu lesen war.
Nach der Mittagspause hatte sie ihr Outfit gewechselt: Sie erschien mit einem bunten Oberteil, auf der Angela Merkel in mehrfacher Ausführung zu sehen war. Fazit ihres ersten Lesungstages, was das Outfit betrifft: «Hallo Mutti».
Sendebezug: Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 6.7.2018, 17:10 Uhr.