Mikael Krogerus, was macht für Sie das Werk Knausgårds besonders?
Für mich war das Besondere, dass ich angefangen habe zu lesen und es wirklich nicht aus der Hand legen konnte – obwohl es eigentlich ein extrem langweiliges Buch ist. Es passiert ungefähr das Gleiche, was mir und acht Millionen anderen Skandinaviern in der Jugend passiert ist. Das Faszinierende ist jedoch, dass man das Buch trotz allem liest, als wäre es ein wahnsinnig spannender Thriller. Knausgård schafft es, Spannung in den Alltag zu bringen, und so erscheint das eigene Leben plötzlich faszinierend.
Wie erklären Sie sich diesen wahnsinnigen Erfolg, den Knausgård mit seinen Büchern feiert?
Ich glaube, es liegt vor allem an zwei Dingen. Erstens – und so ergeht es vielen Skandinaviern – vermag man sich in seinen Beschreibungen tatsächlich wiederzuerkennen. Er beschreibt viele archetypische Momente des Aufwachsens in Skandinavien.
Dieses Wiedererkennen ist ein Moment, der dich reinzieht in das Buch. Zweitens – für Leser, die solche Momente nicht erlebt haben – glaube ich, ist es dieses Gefühl, so nah an einer Person zu sein. Du bist näher an diesem Knausgård dran, als du je an dir selbst warst. Das hat etwas Verzauberndes und Fesselndes. Ich hatte lange das Gefühl, ich kenne Knausgård besser als mich selbst. Ich habe mehr Erinnerung an sein Leben als an mein Eigenes.
In Schweden gab es auch kritische Stimmen. Was gefiel diesen nicht an Knausgård?
In Schweden ist Knausgård dafür kritisiert worden, dass er ein rückwärtsgerichtetes Familien- und Gesellschaftsbild hat. Er schreibt mehrmals in seinen Büchern, dass Schweden ein Scheissland sei, in dem Denkverbot herrsche und alles gleichgemacht sei. Er wünsche sich eine Gesellschaft, die traditioneller ist, wie eben in Norwegen. Es gibt endlose Passagen im Buch, in denen er mit seinem Freund darüber diskutiert, was Schweden für ein verweichlichtes Land sei. Die meisten Männer seien im Prinzip kastriert, müssten Kinderwagen schieben und die Kinder hüten. Für diese Aussagen wurde er in Schweden sehr kritisiert.
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Und wie kommen diese Aussagen bei Ihnen als emanzipiertem jungem Vater an?
Ich bin schwedisch erzogen worden, nicht norwegisch. Ich persönlich finde, Knausgård ist in dem Punkt tatsächlich etwas zurückgeblieben – es ist eine Neandertaler-Vorstellung. Da würde ich ihm sogar unterstellen, dass er Lust daran verspürt, Schweden zu ärgern, indem er solche Äusserungen macht. Aber hier ist es wichtig zu bedenken, dass Norweger tatsächlich diese Vorstellung haben. Norwegen ist nicht so emanzipiert wie Schweden. Norwegen erinnert da in vieler Hinsicht an die Schweiz.
Kommt er trotz dieser Kritik bei den Schweden an?
In Schweden ist er sehr populär. Er wird heissgeliebt und viel gelesen. Viele Männer erkennen sich in ihm wieder. Dadurch entsteht eine gewisse Spannung in Schweden. Einerseits wird Knausgård für seine Äusserungen kritisiert, gleichzeitig gibt es in Schweden viele Männer, die seine Ansicht der Verweichlichung vertreten. Was auch damit zu tun hat, dass in Schweden ein gewisser neokonservativer Ruck stattfindet, der sich Knausgårds Aussagen bedient.