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Literaturtage-Spitze geht «Zu verschieden»: Was steckt hinter dem Knatsch in Solothurn?

In der Leitung des grössten Literaturfestivals der Schweiz steht schon wieder ein Wechsel an: der dritte in vier Jahren.

Was ist passiert? Am Samstag wurde bekannt, dass die aktuelle Co-Geschäftsleitung der Solothurner Literaturtage mit Nathalie Widmer und Rico Engesser zurücktritt, ebenso wie weitere Mitglieder der Geschäftsführung und der Programmkommission. Widmer und Engesser waren seit 2022 im Amt. Die scheidende Co-Leitung begründet ihren Rücktritt folgendermassen: «Wir konnten uns zwar in zahlreichen Bereichen gut ergänzen, aber für eine längerfristige Co-Leitung sind wir zu verschieden.» Damit steht kurz nach der letzten Festivalausgabe die Frage im Raum, wer überhaupt das nächste Festival leiten wird.

Ein Mann und eine Frau in dunkler Kleidung stehen vor einer grossen Dachfensterfront.
Legende: Die Co-Leitung der Solothurner Literaturtage will nach zwei Jahren nicht mehr: Rico Engesser und Nathalie Widmer. KEYSTONE/Anthony Anex

Was sind die Hintergründe? Es ist erstaunlich, dass es nun bereits zum dritten Mal in vier Jahren zu einer Neubesetzung kommt. Seit dem Rücktritt der ersten Festivalleiterin Veronika Jäggi, die die Literaturtage zwischen 1978 und 2012 geleitet hatte, ist es immer wieder zu hastigen Abgängen gekommen. Bettina Spoerri warf 2013 bereits nach einem Jahr das Handtuch. Unter Reina Gehrig gab es von 2013 bis 2020 eine Phase der Stabilität, seither jedoch brodelt es. Dani Landolf hielt zwischen 2020 und 2022 nur zwei Jahre durch – und jetzt gehen Nathalie Widmer und Rico Engesser nach nur zwei Ausgaben. Im Umfeld dieser Rücktritte ging es immer wieder um Schwierigkeiten mit dem Vorstand des Trägervereins: Der Trägerverein hat laut Statuten grossen Entscheidungsspielraum über die Geschäfte der Solothurner Literaturtage. Insbesondere setzt er auch die Mitglieder der Geschäftsstelle ein.

Was sagen die Beteiligten? Nathalie Widmer und Rico Engesser waren für Stellungnahmen nicht erreichbar. Thomas Flückiger, Präsident des Vorstands, sagt auf Anfrage: «Wir hätten sehr gerne weiterhin mit dieser Co-Leitung zusammengearbeitet, es gab von unserer Seite keinen Grund, etwas zu ändern.» Es scheint aber, dass sich die Bemühungen dafür in Grenzen gehalten haben. Laut einem Mitglied der bisherigen Geschäftsstelle hatte der Vorstand schon im Dezember Kenntnis davon, dass Widmer und Engesser Schwierigkeiten bei ihrer Zusammenarbeit hatten. Bis ein Mediationsverfahren eingeleitet wurde, sei es aber Ende März geworden – so kurz vor Festivalbeginn war es spät für eine Lösung. Auf diese lange Zeitspanne angesprochen, erwidert Präsident Flückiger lediglich, es sei im Dezember um «andere Aspekte» gegangen und weist die Verantwortung grösstenteils vom Vorstand weg: «In erster Linie ist es Aufgabe der Geschäftsführung, hier eine Lösung zu finden. Als wir herausfanden, dass das nicht funktioniert, haben wir reagiert.» Das Mediationsverfahren, das mit Mitteln des Vereins bezahlt wurde, musste das Team allerdings selbst organisieren.

Wie geht es nun weiter? Die Stelle der Geschäftsführung der Solothurner Literaturtage wird in den nächsten Tagen ausgeschrieben. Vorstandspräsident Flückiger wünscht sich von der Neubesetzung Stabilität sowie, «dass sie die Solothurner Literaturtage erfolgreich durch die nächsten zwei Jahre führt und uns die Möglichkeit gibt, ein wenig langfristiger zu denken». Zum Kompetenzbereich des Trägervereins mache man sich Gedanken, sagt er: «Wir sind konstant am Überlegen, ob die Struktur des Vereins einer Überarbeitung bedarf.» Das allerdings gemächlich: «Wir haben diese Arbeiten jetzt während des Festivals nicht aufgenommen, aber es ist geplant, sobald wir die neue Geschäftsführung installiert haben.»

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Nachrichten, 3.6.2024, 07:00 Uhr

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