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Neuer Roman von Wolf Haas «Wackelkontakt»: Eine gewitzte Geschichte mit einem Twist

Mit «Wackelkontakt» kehrt der österreichische Schriftsteller Wolf Haas zur Spannungsliteratur zurück. Er schafft damit ein Sprachpuzzle allererster Güte.

Wolf Haas’ letzter Roman «Eigentum von Wolf Haas» war eine Ausnahme in seinem Schaffen. Ein genauso persönlicher wie berührender Mutter-Roman, der so sehr Eigentum des Autors war, dass er auch keine Interviews dazu geben wollte. Beim aktuellen Roman «Wackelkontakt» ist das wieder anders. «Wackelkontakt» ist nun wieder ein typischer Wolf Haas, dessen Qualität einmal mehr in seiner Konstruktion und Sprache liegt.

Dabei geht es um einen Mann namens Franz Escher, ein Trauerredner, dessen Leidenschaft das Puzzeln ist. Diese Leidenschaft pflegt er, seit er als junger Mann ein Kunstpuzzle mit einem Bild seines niederländischen Namensvetters M.C. Escher bekommen hat. Auf dem Bild sind zwei Hände zu sehen, die sich gegenseitig zeichnen. Dass Wolf Haas gerade dieses Bild zitiert, ist kein Zufall. Denn sein Roman funktioniert genauso.

Zwei Figuren, die warten

Franz Escher wartet in seiner Wohnung auf den Elektriker. Um sich die Zeit zu vertreiben, liest er ein Buch, in dem es um ein junges Mitglied der Ndrangheta geht, das im Gefängnis sitzt und auf seine Entlassung wartet. Der Mann ist als Kronzeuge aufgetreten, hat viele seiner ehemaligen Mit-Mafiosi verraten und soll nun eine neue Identität bekommen.

Zwei Hände zeichnen sich gegenseitig auf Papier.
Legende: Wolf Haas' Roman funktioniert wie M.C. Eschers «Drawing Hands» (1948): Die eine Figur kreiert die andere, und umgekehrt. M.C. Escher Company BV, Baarn

Um sich die Zeit bis zu seiner Entlassung zu vertreiben, liest auch er ein Buch: Darin geht es um einen Typen namens Franz Escher, einen Trauerredner, der gerne Kunstpuzzles zusammensetzt und an dessen Tür es gerade geklingelt hat. Der Elektriker ist da. Wegen einer Steckdose in der Küche mit einem Wackelkontakt.

Der Trick ist also: In diesem Buch wird die Geschichte des einen mit der Lektüre des anderen erzählt. Das funktioniert. Auch wenn die Momente, in denen der Fokus von der einen Geschichte auf die andere wechselt, manchmal ein bisschen konstruiert wirken.

Geschichtenclash mit einem Twist

Trotzdem ist der Effekt dieser Konstruktion gewaltig. Einerseits, weil man bald einmal merkt, dass die beiden Geschichten zusammengehören, andererseits, weil die beiden Geschichten, wenn sie miteinander zusammenhängen, zwangsläufig zusammenknallen müssen. Das passiert auch. Das Geniale dabei ist: Sie tun es völlig anders, als man es erwarten würde. Wolf Haas hat ein Ende gefunden, das die ganze Geschichte im letzten Moment nochmals völlig auf den Kopf stellt.

Buchhinweis

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Wolf Haas: «Wackelkontakt». Hanser, 2025.

Das ist grosse Erzählkunst. Und typisch für diesen Schriftsteller, dessen Hauptaugenmerk seit jeher auf der Erzählweise seiner Romane liegt. Dass der Roman nicht nur selbst ein Puzzle ist, sondern das Puzzle auch gleich noch thematisiert, ist höchst attraktiv. Etwa dann, wenn ausgerechnet bei Michelangelos «Die Erschaffung des Adams» das letzte Puzzleteil fehlt und eine Lücke zwischen den ausgestreckten Fingern Gottes und Adams schlaffer Hand entsteht.

Humor und Sprachwitz

Trotzdem bietet der Roman auch jenseits der Konstruktion genug Attraktivität. In den beiden Handelssträngen zum Beispiel, die uns von Italien ins Ruhrgebiet und Wien wieder nach Italien führen. Aber auch im Humor. Und natürlich auch im Sprachwitz – wie immer bei Wolf Haas.

Dem ist nun also nach seinem stillen und berührenden Mutter-Buch ein Roman geglückt, den man als neue und höchst überraschende Variante des alten Wolf-Haas-Stils bezeichnen kann. Und damit vielleicht auch als Auftakt weiterer typischer Wolf-Haas-Romane. Man kann also gespannt sein.

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