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Was läuft neben den Klassikern in der Maturaprüfung?
Aus Kultur-Aktualität vom 03.07.2024. Bild: imago images / Hoffmann
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Pedro Lenz bis Sibylle Berg Plötzlich Prüfungsstoff: Wenn das eigene Werk Maturafrage wird

Nicht nur Gotthelf, Goethe und Grass: Schweizer Autorinnen und Autoren erzählen, wie es ist, Teil der Deutschmatur zu sein.

Pedro Lenz ist zwiegespalten: «Es freut mich, dass mein Buch an Schulen gelesen wird. Aber der Gedanke beschäftigt mich, dass da einer schlotternd über ein Buch reden muss, das man eigentlich geniessen sollte.» Die Rede ist vom Roman «Der Goalie bin ig».

Pedro Lenz’ Bestseller landet regelmässig auf den Lektüre-Listen von Maturierenden, ebenso wie die Romane «Agnes» von Peter Stamm oder «Der Sprung» von Simone Lappert.

Die eine Geschichte über Liebe und Selbstliebe, die andere über Empathie in der Gesellschaft: Das sind Themen, die viele junge Menschen ansprechen, wie Stamm und Lappert aus Rückmeldungen wissen.

Je prominenter das Werk, desto höher die Chancen?

Peter Stamm ahnt noch einen anderen Grund, warum sein Roman an Schulen so beliebt ist: «Ein Kriterium ist ja immer die Dicke des Buches. ‹Agnes› punktet da, weil es nur 150 Seiten hat.»

Allein daran wird es aber wohl nicht liegen. Immerhin hat Simone Lapperts «Der Sprung» 336 Seiten. Und selbst der 640-Seiten dicke Roman «GRM. Brainfuck» von Sibylle Berg war schon Prüfungsstoff an Gymnasien.

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«GRM - Brainfuck»: Sibylle Berg für Schweizer Buchpreis normiert
Aus 10 vor 10 vom 05.11.2019.
Bild: KEYSTONE/DPA/Soeren Stache abspielen. Laufzeit 4 Minuten 6 Sekunden.

«Das Buch war sehr prominent in den Medien. Vielleicht hat das auch das Interesse der Jungen geweckt», mutmasst Berg.

«Ich mache deine Hausaufgaben nicht!»

Dass das eigene Buch von Maturierenden ausgewählt wird, ist eine Anerkennung, darin sind sich alle einig, auch Sibylle Berg. Eine Maturaprüfung findet die Autorin aber bedenklich: «Das ist doch schrecklich, dass die Kids für die Bewertung von Kunst wieder bewertet werden.»

Wie funktioniert eine Deutschmatur?

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Neben einer schriftlichen Prüfung, in Form eines Aufsatzes, müssen die Maturierenden auch eine mündliche Deutschmatur ablegen.

Die Voraussetzung und Durchführung einer Prüfung handhaben alle Gymnasien in der Schweiz etwas anders. Grundsätzlich gelten aber die ähnlichen Modalitäten:

Jede Maturandin und jeder Maturand wählt sechs Werke aus mindestens drei verschiedenen Epochen aus (vor 1800, zwischen 1800 und 1900, nach 1900). Die Gattungen Lyrik, Epik und Dramatik müssen alle vertreten sein.

In der Regel werden drei Werke aus der gemeinsamen Klassenlektüre gewählt. Die weiteren drei Werke werden individuell gelesen und vorbereitet.

Als Werk gilt dabei ein Buch, das einen gewissen Umfang aufweist. Bei kürzeren Formen wie einer Kurzgeschichte oder Gedichten ergeben mehrere Einheiten zusammen ein Werk.

Eine mündliche Prüfung dauert insgesamt 30 Minuten. Ausgehend von einem Ausschnitt aus einem der gewählten Texte bereiten sich die Prüflinge 15 Minuten vor. Darauf folgt ein 15-minütiges Prüfungsgespräch mit der Lehr- und einer weiteren Fachperson.

In den meisten Kantonen finden die mündlichen Maturaprüfungen Mitte oder Ende Juni statt.

Weil ihre Texte an Schulen gelesen werden, sei es vorgekommen, dass die Autoren von Jugendlichen angeschrieben wurde, die ihre Texte nicht verstanden haben. «Ich wurde auch schon gefragt, ob ich Schularbeiten schreiben könne.» Die Hausaufgaben anderer zu machen, darauf habe Berg aber «nicht so Lust».

Pedro Lenz hält es ähnlich: «Ich deute meine eigenen Werke nicht. Auch ein bisschen aus Bequemlichkeit, weil ich nicht die Arbeit anderer machen will.»

Originelle und abstruse Interpretationen

Auch Peter Stamm wurde mehrmals von Schülerinnen und Schülern nach der «richtigen» Interpretation seiner Bücher gefragt. «Der Autor ist da aber nicht kompetenter als irgendwer», sagt Stamm: «Es gibt keine wahre Interpretation, höchstens eine gute oder schlechte».

Mit «Agnes» war Stamm oft an Schulen zu Gast. Da habe er viele originelle und auch einige abstruse Interpretationen gehört. «Ich frage dann jeweils nach, ob die Lesart begründet werden kann. Daran erkennt man die Qualität einer Interpretation.»

Eine «Königs Erläuterung» für den «Goalie»?

Für die Autoren sei es besonders spannend, wie junge Lesende ihre Bücher deuten. «Ich habe oft erlebt, dass Schülerinnen unglaublich kluge Rückmeldungen geben», erzählt Simone Lappert.

Für die Maturaprüfung appelliert sie darum an die Unterrichtenden: «Ich hoffe, dass Lehrpersonen offen sind für eine andere Lesart, als jene, die sie herausgearbeitet haben.»

Ohnehin ist eine Buchinterpretation keine exakte Wissenschaft. Eine Lektürehilfe wie die «Königs Erläuterung» fände Pedro Lenz für seinen «Goalie» aber eine gute Sache: «Wenn es so bleibt, dass Gymnasiasten das gerne als Maturalektüre nehmen, wäre das doch sinnvoll.»

Und er fügt schmunzelnd an: «Ich frage mich nur, wie viele Büchlein davon verkauft werden müssten, damit das für den Verlag rentabel ist.»

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Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 1.7.2024, 7:06 Uhr.

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